Joy Denalane über ihre Beziehung mit Max Herre, die neugewonnene Freiheit und den Umgang mit Verlust und trauernden Menschen im Music made in Germany Interview auf RPR1.
Joy Denalane über ihre Beziehung mit Max Herre, die neugewonnene Freiheit und den Umgang mit Verlust und trauernden Menschen im Music made in Germany Interview auf RPR1.
Ludwigshafen, den 02.November 2023. „Geht auf die Konzerte, wenn ihr könnt. Kauft die Alben, selbst wenn ihr sie nicht abspielen könnt, stellt sie Euch hin und seid Euch darüber bewusst, dass Euer Handeln, also der Kauf eines Produktes, tatsächlich zählt und Einfluss hat, für die Bands und Künstler*innen, die diese Musik machen und die ihr liebt.“ Das sagt Sängerin, Songwriterin und Soulikone Joy Denalane im Rahmen der Radioshow „Music Made in Germany“ mit „Miriam Audrey Hannah“. In dem persönlichen Gespräch mit Moderatorin, Journalistin und Initiatorin der Initiative für die deutsche Musikszene, erzählt die Sängerin über neugewonnene Freiheit, die sie mit ihrem Mann, Max Herre genießt. Da die Kinder aus dem Haus sind, kann das Musiker-Paar nun frei und gemeinsam arbeiten und reisen zugleich, sie resümiert ihre Erfahrung, dass wir hier in Deutschland nicht gut mit trauernden Menschen umgehen können, schenkt Kraft, Zuversicht, Leichtigkeit und gute Gefühle. On the top gibt Joy uns einen Einblick, was eine nachhaltig funktionierende Beziehung aus ihrer Sicht macht und appelliert in einer angenehmen Art und Weise die Mitgestalter der Medien: Schützt und fördert die Kunst! Wir lassen das Interview nachhallen, fühlen hin und sagen: JA!
Die vollständige Radio Sendung „Music Made In Germany“ mit „Miriam Audrey Hannah“ wird am Sonntag, den 05. Oktober 2023 ab 16:00 Uhr auf RPR1. und um 19.00 Uhr bei RADIO REGENBOGEN ausgestrahlt, das gesamte Gespräch im Interview-Podcast: www.musicmadeingermany.de
Hier Auszüge aus dem Interview mit Joy Denalane vorab:
„In so einer Arbeit, wie in meinem neuen Album Willpower, steckt immer sehr viel Zeit und Mühe und Sorgfalt drin. Damit will ich nicht sagen, dass es nicht bei allen anderen Kolleg: innen genauso so ist. Es ist einfach was sehr Spezifisches, was wir machen, wenn wir uns dazu entscheiden, Musiker: innen zu werden. Ich versuche immer den Leuten näherzubringen, dass das Gewand, in dem die Musik eines Künstlers, einer Künstlerin, einer Band daherkommt, etwas Bestimmtes erzählt. Und ich glaube, die Leute vergessen manchmal, dass dahinter ein absolutes ‚Nerdtum’ steckt. Die meisten Kolleg: innen, die ich kenne, sind richtige Nerds und das sind Leute, die sehr professionell und hart arbeiten und sehr lange sozusagen in der Genese stecken und sich was überlegen. Also das kommt, glaube ich, manchmal so ein bisschen rüber, als wäre das alles so an einem Tag entstanden und das könne jeder. Aber ich sage immer: Nein, das kann wirklich nicht jeder und das ist wirklich übergreifend gemeint.
Ich kenne zu viele Leute, die mittlerweile weder Vinyl, also weder Schallplattenspieler noch CD-Player in ihren Haushalten stehen haben. Aber ich vertrete doch stark die Meinung, dass, auch wenn man im Streaming, Musik seiner Lieblingskünstler: innen hört, (in der Streaminglandschaft bewegen sich ja die meisten Leute und informieren sich über die Musik, die sie interessiert), gibt es für mich eine klare Message: „Kauft Euch die Alben trotzdem“. Ich möchte es so erklären, dass es nicht so doof und nicht eigennützig rüberkommt. Man muss sich einfach mal vorstellen: Für einen Streamingdienst bezahlt man ca. 10 Euro im Monat und dafür kann man alles konsumieren, was es sozusagen gibt an Musik, dann ist ja eigentlich auch klar, dass kaum was bei den Leuten landen kann, die man verehrt, bewundert oder einfach gern hört. Und ich glaube, darüber sind sich viele nicht so wirklich bewusst. Deswegen ist immer mein Plädoyer für die Kunst: Kauft die Kunst, die Euch besonders auffällt, die herausragt für Euch, weil nur dadurch können unsere Kolleg: innen überhaupt monetär profitieren, vom reinen streamen, profitieren wirklich nur die wenigsten.
Die Entwicklung wird immer so sein, dass die Partner, mit denen man Verträge abschließt, also die Labels, die ein gewisses Budget in einen Künstler investieren, an den es glaubt, auch etwas zurückbekommen möchten. Wenn der Künstler selbst aber nur mittelmäßig bis gut streamt, wird es schon problematisch, denn dann kommt das Investment ja nicht zurück zu den Plattenfirmen, die Geld in die Hand genommen haben. Die Folge ist klar: Man wird irgendwann diesen Vertrag auflösen, weil man ja immer Geld investiert, das sich nicht wieder einspielen lässt. Viele Musik, die wir dann noch konsumieren, auf den Streaming-Plattformen wird immer mehr sehr gleichförmig sein. Also man hört dann nur noch die Sachen, die sicher funktionieren. Es wird wenig Spitzen geben und das ist, glaube ich, eine Entwicklung, die man sich jetzt noch nicht so klarmacht. Aber ich glaube schon, dass wir genau darauf hinsteuern. Deswegen: Liebe Musik-Kosument: innen: Geht auf die Konzerte, wenn ihr könnt. Kauft die Alben, selbst wenn ihr sie nicht abspielen könnt, stellt sie Euch hin und seid Euch darüber bewusst, dass Euer Handeln, also der Kauf eines Produktes, zählt und Einfluss hat, für die Bands und Künstler*innen, die diese Musik machen, die ihr liebt.“
„Ich glaube auch, dass es nicht nur wichtig ist, dass sich die Künstler: innen dazu lautstark äußern, sondern auch die gesamte Struktur, auch das Radio, gerade ihr steht in der Verantwortung, die Musik zu schützen, diesen Kulturauftrag auch so ernst zu nehmen, dass ihr sagt: Hey, es ist ein Auftrag, dem wir hier nachkommen, auch als Radiosender den Hörer: innen Musik auch vorzustellen nicht nur nachzuspielen. Also es ist auf ganzer Linie gefragt, dass diese Debatten geführt werden. Ob das Plattenfirmen sind, Radio ist, Fernsehen ist, ob es die Künstler: innen selbst sind. Alle, glaube ich, die sozusagen Teil der Struktur sind und von dieser Struktur profitieren und sie mitgestalten, müssten sozusagen gemeinsam aufstehen und was tun und jeder sollte für sich seinen möglichen Beitrag leisten.“
„Ja, mein neues Album ist ein Album, das weh tut, aber auch guttut. Es ist nicht nur ein Album, das sich, was man thematisch vielleicht wegen des Todes meines Vaters meinen könnte, mit Trauer und Abschied befasst, sondern es ist auch ein Album, was sich mit Zuversicht und Liebe und Glückseligkeit befasst, auch mit einer Form von Leichtigkeit. Also ich meine, wir haben da einen Song wie Hideaway. Das ist ein absolut leichter Song, der natürlich eine Zäsur im Leben markiert, denn in dem Song Hideaway geht es den Moment, in dem ich verstanden habe: Ah ja, unsere Kinder sind jetzt beide aus dem Haus. Jetzt können wir eigentlich machen, was wir wollen. Komm’, wir fahren in ein Hideaway, egal wohin. Mein Mann, Max Herre, der Vater meiner Kinder und ich, können jetzt zu jedem Zeitpunkt völlig frei und spontan entscheiden, was wir machen wollen. Und das war uns zuvor als Paar immer vorbehalten, denn mein Mann und ich, wir sind sehr früh Eltern geworden. Wir waren wirklich kaum zusammen, da waren wir schon Eltern. Und erst 2021 war sozusagen der Moment erreicht, in dem wir festgestellt haben: Die Kinder sind ja tatsächlich aus dem Haus. Und das war so was Positives eigentlich, weil ja wir uns natürlich über die Jahrzehnte immer überlegt haben, was machen wir denn eigentlich, wenn wir vollkommen unabhängig sind, wenn wir es bis dahin schaffen, was wollen wir dann machen? Der Jüngste ist jetzt seit einem Jahr weg, es ist noch alles sehr frisch und es klingt etwas verwunderlich, aber auch das intensive Arbeiten, was wir jetzt gerade leben, das ist ja auch eine Form von Freiheit. Unser Deal war immer: Solange die Kinder zu Hause sind, muss ein Elternteil immer bei den Kindern sein, während der andere sich verwirklicht, seine Alben schreibt oder auf Tour geht. Das heißt, es war immer einer zu Hause. Und jetzt können wir ja gleichzeitig einfach machen, was wir wollen. Das ist tatsächlich auch eine Form von Freiheit, die wir gerade genießen. Aber auch so ein Song wie Fly By. Darin geht es um die Zuversicht und eigentlich um den Tanz um das Glück, nach dem wir alle streben, das uns ab und zu küsst in unerwarteten, manchmal auch in provozierten Momenten und von dem immer eine Sache klar ist: Wann immer es kommt und egal in welcher Form. Es wird nicht bleiben. Glück ist einfach vergänglich. Es ist eine Momentaufnahme. Aber, es gibt auch schwere Songs, wie z.B. Revolutions, da geht es nicht die politische Revolution an sich, sondern die Umdrehung. Also wie viel Umdrehungen braucht es noch, bis wir als Menschheit an einem Punkt sind, an dem wir uns begegnen können, der nicht so zerstörerisch ist? Klar, diese Themen gibt es schon auch und ja, es geht auch um Trauerbewältigung.“
„Mir ist in dieser ganz intensiven Trauerphase um meinen Vater aufgefallen, dass es in Deutschland nicht so gängig und oft unmöglich ist, dass man in der Konversation mit seinen Bekannten, Kolleg: innen oder Freunden so selbstverständlich über Verlust sprechen kann. Ich glaube, das geht vielen ab und ich glaube, viele haben das einfach nicht gelernt. Und ich habe das als unglaublich störend empfunden. Leute, die auf Zehenspitzen um mich herumgelaufen sind, weil sie mir dadurch natürlich auch irgendwo verwehrt haben, nicht nur über die Trauer zu sprechen, sondern auch über das, was dahinter liegt, nämlich gemeinsame Geschichten zu wälzen, die man erlebt hat, mit der Person, die man verloren hat, die durchaus positiv waren, es kann lustig und befreiend sein, sich gemeinsam zu erinnern. Das ist, glaube ich, hier einfach nicht so verwurzelt, sondern man wird in Deutschland ganz ruhig und ganz in sich gekehrt und überlässt eigentlich, mit der vermeintlichen Rücksicht, die man auf die Hinterbliebenen nimmt, lässt man sie, glaube ich, doch eigentlich eher alleine. Das war jetzt zumindest meine Beobachtung, dass diese vermeintliche Rücksichtnahme eigentlich eher unschön war. Also ich fand es immer unangenehm, mit Leuten über den Verlust meines Vaters zu sprechen, die wahnsinnig lange gebraucht haben, sich überhaupt zu melden. Wohingegen ich Gespräche besonders heilsam und angenehm empfand, indem die Leute direkt auf mich zukamen und sagten, dass es ihnen leidtut und wir Erinnerungen teilen konnten. Man sollte den Verstorbenen in Erinnerung und in Gesprächen mitnehmen und sich ihrer gemeinsam erinnern.“
„Ich würde sagen: Mein Mann Max ist ja viel ruhiger, schüchterner als ich, ich glaube ich auch im Gespräch. Also nicht mir gegenüber (lacht). Aber so beobachte ich ihn, eher etwas zurückgenommen. Wir sind ein gutes Lebensteam, aber das ist halt Arbeit. Das muss man jetzt einfach auch mal ganz klar sagen. Es ist nicht einfach nur: Ah ja, da treffen sich zwei Menschen, es ist Fügung, sie kommen zusammen und von dem Moment an ist alles nur Harmonie und alles ist super. Nein, nein, nein! Es ist tägliche Arbeit. Wirklich. Und darüber muss man sich im Klaren sein. Ich bin keine Expertin in Sachen Liebe, ich kann nur sagen: Beziehungen und sich lieben funktioniert so mannigfaltig. Es gibt nicht das eine richtig, das eine falsch oder so. Aber ich glaube, dass eine Basis für eine gute Beziehung, die funktioniert, sein könnte, dass man sich was zu sagen hat, also dass man sich was zu erzählen hat und dass man interessiert ist an seinem Partner ist, also dass man wissen möchte, was er/sie denkt und dass man sich nicht scheut vor Debatten, dass man Sachen diskutiert. Das, glaube ich, ist schon mal keine schlechte Ausgangssituation für eine gesunde, wohltuende Partnerschaft. Interesse aneinander haben. Meiner Beobachtung nach leben viele Paare nebeneinander her, und zwar schon sehr früh in ihrer Beziehung. Das ist jetzt für mich zum Beispiel kein Modell, das funktionieren würde. Es würde mich viel zu, schnell langweilen, glaube ich.“
Die Radioshow und der Interview-Podcast „Music Made in Germany“ mit „Miriam Audrey Hannah“ ist seit 2012 die Initiative für die Künstlerszene in Deutschland. Die Plattform leistet konstant seit über 10 Jahren einen Beitrag zur Stärkung und Wahrnehmung der Künstler: innen in unserem Land.
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MICHAEL WEILAND
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