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Louisenlund: Architektur für den Bildungsaufbruch

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Aufbruch ohne Klassenzimmer

Kann die Forderung: „Wir müssen uns von der Fabrikschule des 20. Jahrhunderts verabschieden“ auch architektonisch gelingen? In Schleswig-Holstein macht die Stiftung Louisenlund es mit LH-Architekten aus Hamburg vor: Unterrichtsorganisationen, die es Kindern erlauben in eigenem Tempo zu gehen, sind in Architektur, Licht und Grundrissen gespiegelt. Ein Leuchtturm für Bildungsaktivisten aus ganz Deutschland.

Ein frischer Wind weht von der Schlei durch den Park alter Buchen. Neben der strahlend weißen Schloss-Fassade zeigt sich ein moderner Bau, der aus der Ferne an klassische Gewächshäuser erinnert. Hier, wo der echte Norden Schleswig-Holsteins beginnt und die dänische Grenze nicht mehr fern ist, liegt die Stiftung Louisenlund. Der idyllische Ort ist aufgebrochen, um der Bildungskrise in Deutschland Beine zu machen. „Wir müssen uns von der Fabrikschule des 20. Jahrhunderts verabschieden,“ lautet die Forderung des Physikers und Schulleiters Dr. Peter Rösner. „Wir müssen aufhören, Kinder, nur weil sie zufällig gleich alt sind, in Klassen einzuteilen, in einen viereckigen Raum zu sperren mit einer Tafel und einem Lehrer. Offensichtlich sind Kinder nicht gleich, ich fordere daher, so verstandenen Unterricht nicht nur zu verändern, sondern zu lassen!“ Mit Kopf, Herz und Verstand geht der Leiter der Stiftung Louisenlund in seiner Schule, die aus einer Grundschule, einem Gymnasium mit Internat, Tagesschülern und Tagesschülerinnen sowie einer IB World School besteht, einen außergewöhnlichen Transformationsprozess an.

Weitermachen wie bisher - das wird nicht reichen

Schon während der Corona-Zeit managte Rösner seinen Bildungsdampfer mit 450 Tages- und Internats-Schülern und Schülerinnen geschickt durch die Krise und bewies 2021 Mut: „Weitermachen wie bisher - das ist uns allen klar - wird nicht reichen.“ Was Politiker damals auszusprechen scheuten, kam in Louisenlund auf die Tagesordnung: Der alte Schultrott war vorbei. Neue Zeiten verlangten Aufbruch, der sich auch in neuen Räumen und frischer Architektur widerspiegeln sollte. In Corona-Krisenzeiten wurde der komplette Neubau eines Lern- und Forschungszentrum nebst Schülerhaus geplant und durchgezogen. Ein vitaler Campus entstand.

Schulbau als dritter Pädagoge

Wie lässt sich das Konzept einer Unterrichtsorganisation, die es Kindern erlaubt, in eigenem Tempo zu lernen in Architektur, Licht und Grundrissen spiegeln? Jo Landwehr von LH Architekten aus Hamburg brachte die Idee einer Lernscheune auf dem Campus ins Gespräch. „Schulen prägen die gesamte Kindheit und Jugend. In Louisenlund sind wir von der Grundüberlegung ausgegangen, Schulbau als zusätzlichen Pädagogen und seinen Einfluss auf die Empfindungen und Entwicklungen der Schülerinnen und Schüler zu betrachten“, erläutert Jo Landwehr die neue Architektur des Bildungscampus in Louisenlund. „Der Ort ist von seiner Genese her so etwas wie ein Sehnsuchtsort, gewachsen in den seichten und bewaldeten Hügeln an der Schlei, gemauert aus hellem, dänischen Ton. Satteldächer und Scheunentypologien sind quasi die Archetypen der Liegenschaft. In diesem Duktus haben wir den Schulneubau integriert und als Reihung von Satteldachhäusern mit ähnlichen First-und Traufhöhen so arrondiert, dass das Schloss die Dominante bleibt und die Schulbauten sensibel weitergebaut werden.“

In vier Gebäuden, die sich heute rhythmisch verbinden, pulsiert das Herz des neuen Lern- und Forschungszentrum. Durch die Aneinanderreihung der Baukörper entstehen Innenhöfe, die zum Austausch einladen, eine Nutzfläche von 5200 Quadratmetern. „Zentrales architektonisches Motiv der Häuser ist die jeweils verglast geöffnete Giebelwand, die den Innenraum mit der Landschaft und den Bestandsbauten verbindet, während die Flanken mit Lochfassaden eher geschlossen wirken, um ein konzentriertes Lernen und Arbeiten zu ermöglichen,“ erklärt Jo Landwehr. „Die hölzerne Materialität verbindet den Schulneubau mit dem spektakulären neuen Wohnring. Dieser fördert das Zusammenleben um einen gemeinsamen, landschaftlich geprägten Innenhof.“

In Bildung investieren: der Rohstoff, auf dem unsere Zukunft basiert.

„Wir müssen alles fürs Lernen investieren, es ist der einzige Rohstoff, den man hat“, erklärt Thomas Laqua. Der Fachmann für Bildungsarchitektur ist mit seinem gemeinnützigen Unternehmen „wonderlabz“ Spezialist für Lehrräume und seit fünf Jahren am Transformationsprozess Louisenlunds beteiligt. Die Schulräume plante er mit LH-Architekten als „Lernlandschaften“, sie laden zu Diskussion und konzentriertem Arbeiten ein. Die Räume werden durch akustisch wirksame Vorhangstoffe gebildet, eine gemeinsame Entwicklung mit einer deutschen Firma, die im Bühnenbau unterwegs ist. Aus allem spricht die bewusste Gestaltung von Raum und Zeit. Selbst das Lehrerzimmer ist von Interaktion geprägt: hinter Glas wird konferiert und getagt – Einblicke erlaubt.

Insgesamt 30 Millionen Euro brachte die Stiftung Louisenlund auf, um die neue Bildungsära einzuläuten. „Louisenlund stellt pro Jahr und Schüler etwa doppelt so viele Ressourcen für das Lehren und Lernen zur Verfügung wie es der Staat für die öffentliche Tagesschule tut,“ unterstreicht Peter Rösner. “Es ist doch mehr als erstaunlich, dass wir in unserem Land nicht eine heftige Debatte führen, wie viel Geld uns die Bildung unserer Kinder eigentlich Wert ist.“ Das allein als Resultat von Klassengesellschaft oder Elite-Internat abzutun, ist zu kurz gesprungen. Für das plus-MINT Programm, in dem TOP-Talente in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gefördert werden, kann Schüler-BAföG beantragt werden. Die Besten aus Deutschland können sich ab der 10. Klasse für einen Platz bewerben – durch die Möglichkeit der BAföG-Förderung ist der Zugang zu plus-MINT unabhängig vom Einkommen der Eltern. Etwa 70 TOP-MINT-Talente lernen und forschen aktuell in Louisenlund.

Leuchtturm der Bildungsaktivisten

Das Ziel der Stiftung: Ein mutiges Investment für die Zukunft bilden und Mutmacher sein. Zeigen, dass kompetenzorientiertes und eigenmotiviertes Lernen mit individuellem Stundenplan kein Widerspruch zu den Fachanforderungen des Landes ist. Schulleiterinnen und Schulleiter aller Gymnasien aus Schleswig-Holstein waren inzwischen vor Ort, um die Möglichkeiten der Louisenlunder Pädagogik zu entdecken. Ein weiterer Schritt. Louisenlund will die erste Lehr- und Forschungsschule des Landes werden. Pädagogische Interaktion muss in der Schule entwickelt und an künftige Lehrende vermittelt werden. Eine Zusammenarbeit ist u.a. mit dem renommierten Leibniz-Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel geplant, ebenfalls Projekte mit dem IQSH, dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein. Ein dynamischer Aufbruch ohne Klassenzimmer, Fabrikschule und Klassengesellschaft - und die erste Schule Deutschlands, die ihn so konsequent umsetzt.

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