Bundesregierung prescht gegen Pkw-Lärmminderungspläne der EU vor
Berlin (ots)
Pressemitteilung
Noch vor der Veröffentlichung eines EU Vorschlages zur Minderung von Fahrzeuggeräuschen fordert die Bundesregierung eine Erhöhung der Lärmgrenzwerte statt einer Reduzierung - Regierung als Lobby für Porsche und Co. - Reduktionsziel des eigenen nationalen Verkehrslärmschutzpakets II wäre Makulatur
Mit einer frühzeitigen Intervention versucht die Bundesregierung, Pläne der EU-Kommission zur Minderung der gesundheitsschädlichen Lärmbelastung durch Pkw zu unterminieren. Der zwischen Bundesverkehrsministerium und Bundesumweltministerium abgestimmte Entwurf läuft faktisch sogar auf eine Erhöhung des geltenden Grenzwerts der Lärmbelastung durch Pkw hinaus. Er steht damit auch im klaren Widerspruch zu Zielen, die das Bundesverkehrsministerium selbst in seinem nationalen Verkehrslärmschutzpaket II im Jahr 2009 festgelegt hatte. Danach sollte der Straßenverkehrslärm bis 2020 um 30 Prozent sinken. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und der Bundesregierung vorgeworfen, sich zulasten der Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zum "Büttel der Automobilindustrie" zu machen.
Noch vor Beginn entsprechender Beratungen auf EU-Ebene liefere sie einen Vorschlag zur Neuordnung von Grenzwerten für Fahrzeuggeräusche, der übermotorisierten PS-Schleudern künftig noch größere Geräuschentwicklung erlauben würde. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe kritisiert: "Die an die EU-Kommission übermittelte Position der Bundesregierung trägt wieder einmal die Handschrift des Verbands der Automobilindustrie, VDA. Statt die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, bedient er einseitig vermeintliche Bedürfnisse der Industrie. Wie schon bei der Novelle der Energieverbrauchskennzeichnung lässt sich die Regierung vor den Karren der Automobilindustrie spannen."
Vor dem Hintergrund wachsender Gesundheitsschäden insbesondere durch Straßenverkehrslärm in Europa und Deutschland (allein hierzulande sind 13 Millionen Bürger in ihrem Wohnumfeld von gesundheitsschäd¬lichem Lärm betroffen) will die EU-Kommission die Grenz¬werte für Lärmemissionen von Fahrzeugen europaweit verschärfen. Ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission wird in diesem Herbst erwartet. Bereits am kommenden Montag beginnen in Genf Konsultationen über neue europäische und internationale Standards zum Fahrzeuggeräusch, die auch großen Einfluss auf die Diskussionen in Brüssel haben werden. Die Beratungen umfassen neben der Festsetzung neuer Grenzwerte für Pkw sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge auch eine Verbesserung der Testmethoden.
Bereits im Vorfeld der Debatte hatte die Kommission eine Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Grenzwertszenarien und zum Vergleich zweier Messmethoden in Auftrag gegeben. Das in der Studie als optimal ermittelte Szenario sieht eine Reduktion in zwei Schritten vor. Die erste Phase ab 2013 mit einer Reduzierung um 2 dB (A) kann danach allein mit Hilfe geräuscharmer Reifen erreicht werden, die den ab November 2012 geltenden Grenzwert für Außengeräusche von Reifen einhalten. Der zweite Schritt sieht für Pkw eine Reduktion von weiteren 4 dB(A) ab 2015 für Typzulassungen und ab 2017 für alle Neufahrzeuge vor, da dies die Umsetzung technischer Maßnahmen notwendig macht. Der gesellschaftliche Nutzen übersteigt nach den Ergebnissen der EU-Studie die Kosten für die Industrie um das Zwanzigfache oder mehr. Die Kosten für die Industrie würden letztendlich vom Markt getragen.
In dieser Situation tritt die Bundesregierung erneut zum Schutz der so genannten deutschen Premiumhersteller auf die Bremse, noch bevor es auf EU-Ebene überhaupt offizielle Äußerungen zu neuen Ansätzen in den Messmethoden und zur Absenkung von Höchstwerten gibt. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Folgekostenabschätzung der EU-Kommission sieht der deutsche Vorschlag einen um bis zu fünf Dezibel höheren Grenzwert vor, von dem insbesondere hoch motorisierte Pkw profitieren. Darüber hinaus würde er eine nochmalige zeitliche Verzögerung bedeuten: So würde die erste Stufe nicht vor 2014 in Kraft treten, die zweite Stufe frühestens 2018.
"Mit ihrem Vorpreschen versucht die Bundesregierung, den bevorstehenden Kommissionsvorschlag negativ zu beeinflussen, noch bevor es ihn gibt. Gleichzeitig revidiert sie ihre eigenen nationalen Ziele für die Lärmminderung, denn auch eine wirksame Minderung des Verkehrsaufkommens ist kein Thema für diese Regierung. Die DUH fordert die Kommission auf, die Variante, die sich auf Basis der der Kostenfolgeabschätzung ergibt, zur Grundlage ihres Vorschlags zu machen", sagt die Leiterin des Verkehrsbereiches der Deutschen Umwelthilfe, Dorothee Saar.
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