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Deutsche Umwelthilfe zieht "Dieselgate-Halbjahresbilanz" - Viele Autobauer setzen Abschalteinrichtungen ein - KBA-Verfahren gegen Daimler, Opel und VW

Berlin (ots)

Smart cdi Diesel mit fast viermal so hohen Stickoxid-Werten gemessen wie ein 28-Tonnen Mercedes-Benz-Truck - Verwaltungsgericht Schleswig übersendet DUH die 581-seitige, durchgehend geschwärzte VW-Dieselgate-Akte des KBA - Bundesregierung stellt Wirtschaftsinteressen der Autobauer über Gesundheitsschutz der Bürger: Keine Auflagen in Deutschland zur Reduktion der Stickoxidwerte auf der Straße - DUH bittet um Unterstützung zur Intensivierung der eigenen NOx- und CO2-Messungen

Am 17. September 2015 startete die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ihre Kampagne "Diesel-Abgase töten". Einen Tag später wurde der VW-Abgasskandal bekannt. Sechs Monate danach bestätigen sich die damaligen Aussagen der DUH. Im Rahmen der behördlichen Nachprüfungen wurden vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) offensichtlich bei vielen deutschen wie ausländischen Fahrzeugen auffällige Stickoxid (NOx)-Werte gemessen. Nachdem die DUH seit Oktober 2015 bei allen eigenen Untersuchungen Hinweise auf Abschalteinrichtungen gefunden und veröffentlicht hat, räumen inzwischen über die VW-Gruppe hinaus mehrere weitere Automobilhersteller die Verwendung von Abschalteinrichtungen ein, die bei leicht höheren oder niedrigeren Temperaturen als der Prüfraumtemperatur die Abgasreinigung vermindern. Begründet wird dies von den Herstellern damit, dass die Verminderung der Wirksamkeit der Abgasreinigung notwendig sei, um den "Motor vor Beschädigung" zu schützen. Diese Begründung ist nach Auffassung der DUH eine reine Schutzbehauptung. Die Fahrzeuge müssen nach der geltenden EU-Typgenehmigungsvorschrift "in normal use", das heißt auch unter allen üblicherweise auftretenden Temperaturen und nicht nur zwischen 20 - 30 Grad Celsius eine funktionierende Abgasreinigung vorweisen. Nach Informationen der DUH laufen derzeit beim KBA beziehungsweise im Bundesverkehrsministerium offizielle Anhörungsverfahren zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung gegen die Daimler AG, die Adam Opel AG und die Volkswagen-Gruppe.

Seit nunmehr sechs Monaten verweigert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt dem Parlament und der Öffentlichkeit Auskunft über die seit November vorliegenden Straßenmesswerte und gefundenen Auffälligkeiten bei den insgesamt 56 untersuchten Diesel-Fahrzeugen. Seit dem 1. Oktober 2015 versucht die DUH in verschiedenen Verwaltungsverfahren, Auskunft über die den Hersteller gemachten technischen Auflagen beziehungsweise vorliegende Messwerte zu erhalten. Im Falle der VW-Rückrufauflagen erhob die DUH im Januar 2016 schließlich Untätigkeitsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Das KBA stellte daraufhin im Februar fest, dass die DUH doch einen rechtlichen Informationsanspruch hat. Allerdings war die Volkswagen AG nicht mit der Offenlegung einverstanden und so erhielt die DUH am vergangenen Freitag 18.3.2016 vom angerufenen Verwaltungsgericht Schleswig die 581-seitige VW-Akte "zur einwöchigen Einsicht" in komplett geschwärzter Form (zur Akte: http://l.duh.de/flgo2).

"In den USA verlangen die Umweltbehörden, dass die Diesel-Pkw auf der Straße die Grenzwerte einhalten oder eben zurückgekauft werden müssen. Frankreich veröffentlichte bereits im Februar die gemessenen erhöhten Stickoxid- und CO2-Werte. Und Umweltministerin Ségolène Royal fordert funktionierende Katalysatoren auch bei niedrigen Temperaturen. Im Epizentrum des Diesel-Abgasskandals agiert Bundesverkehrsminister Dobrindt als Marionette der Autobosse, verweigert jegliche Transparenz und verzichtet trotz 10.000 jährlicher Todesfälle auf Vorgaben zur Senkung der realen Abgasemissionen", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Die DUH stellte heute (21.3.2016) neue eigene Abgasmessungen an einem Smart Diesel mit alarmierenden NOx-Emissionen vor (zum Prüfbericht: http://l.duh.de/p210316a). Die Untersuchungen fanden im Februar und März 2016 bei der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule in der Schweiz statt. Dabei überschritt der Smart bei allen auf dem Rollenprüfstand gefahrenen Tests mit betriebswarmem Motor die Euro 5 Grenzwerte für NOx-Ausstoß erheblich. Verglichen mit einem 28-Tonner, ebenfalls vom Hersteller Daimler (Actros 1842, Euro 6), der laut Kraftfahrt-Bundesamt auf der Straße mit 158 mg NOx/km gemessen wurde, übersteigt der Smart beim CADC-Fahrzyklus (der CADC Zyklus wird zum Ermitteln von Pkw-Emissionsfaktoren verwendet ) diesen Wert mit 589 mg/km um das fast Vierfache. Dabei meldete das Fahrzeug während oder nach den Tests trotz der stark erhöhten Emissionen keinen Fehler der On-Board-Diagnose (OBD) über die Warnlampe.

Verkehrsexperte Axel Friedrich erklärt: "Die festgestellten Überschreitungen der NOx-Emissionen beim kleinsten Serien-Diesel der Welt sind nicht nur in der Höhe absolut inakzeptabel, sondern zeigen ein technisch nicht plausibles Muster. Dass dieses Fahrzeug mit dem für eine funktionierende Abgasreinigung optimalen betriebswarmen Zustand kein einziges Mal die NOx-Grenzwerte einhält, ist technisch nicht plausibel. Wenn Hersteller erklären, dass sie keine Zykluskennung verwenden, sollte dies durch unabhängige Straßenmessungen belegt werden."

Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat seit Beginn des Abgasskandals Mitte September alle Bitten um Gespräche mit der DUH abgelehnt. Nur unter Nutzung des Rechtswegs gelingt es der DUH durch Auskunftsverfahren und Anträge auf Entzug von Typzulassungen Rückmeldungen zu erzwingen. So informierte das BMVI die DUH am 17.3.2016 über die immer noch andauernden und immer noch nicht abgeschlossenen Überprüfungen beim Opel Zafira Diesel durch das KBA. Dieses Fahrzeug war nach den Enthüllungen der DUH im Oktober 2015 auch bei Folgemessungen des WDR, BBC sowie belgischen Fernsehens auffällig. In der Untersuchung der französischen Regierung vom Februar 2016 waren die realen NOx- und CO2-Abweichungen jeweils die höchsten aller 22 untersuchten Fahrzeuge.

"Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen haben wir umfangreiche Hinweise auf mögliche Abschalteinrichtungen beim Opel Zafira, Renault Espace, Fiat 500x, Mercedes-Benz C 200 CDI und C 220 CDI und nun Smart Diesel an das Bundesverkehrsministerium sowie weitere ausländische Behörden übersandt und die Behörde aufgefordert, behördliche Nachmessungen vorzunehmen", sagt Jürgen Resch. "Nachdem wir im Dezember erstmals ein Mercedes-Modell genauer untersucht und die Ergebnisse veröffentlicht haben, erleben wir bis heute andauernde, heftigste Drohungen der deutschen Autobauer aber insbesondere von Daimler. Es stellt sich zunehmend heraus, dass Daimler-Pkw auf der Straße ähnlich hohe, im Einzelfall sogar noch höhere Stickoxid-Emissionen aufweisen als die VW-Betrugsdiesel."

Die DUH wird ab April 2016 ihre Emissionsmessungen ausweiten und neben weiteren Labormessungen damit beginnen, reale Stickoxid- und CO2-Emissionen auf der Straße mit PEM-Systemen zu messen. Darüber hinaus wird die DUH ihre Anstrengungen verstärken, die Funktionsweise von Abschalteinrichtungen aufzuklären. Für die Finanzierung dieser Arbeit bittet sie um Spenden, da staatliche Stellen diese Messungen nicht unterstützen und im Einzelfall bisher sogar behindern.

Informationen und Hintergründe:

Prüfbericht und Pressefotos des getesteten smart fortwo coupe cdi sowie eine Grafik zum Vergleich Actros-Smart finden Sie unter http://l.duh.de/p210316a. Die geschwärzte KBA-Akte zum VW-Rückruf finden Sie hier: http://l.duh.de/flgo2.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer
030-2400867-0 | 0171 3649170 | resch@duh.de

Dr. Axel Friedrich | Internationaler Verkehrsberater
0152 29483857 | axel.friedrich.berlin@gmail.com

DUH-Pressestelle:
Daniel Hufeisen | Ann-Kathrin Marggraf | Laura Holzäpfel
030 2400867-20 | presse@duh.de | www.duh.de
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