Wissenschaftler empfehlen Fangstopp: Deutsche Umwelthilfe und Our Fish fordern von Fischereiministern Null-Quote für besonders bedrohte Fischpopulationen
Berlin (ots)
Internationaler Rat für Meeresforschung veröffentlicht wissenschaftliche Empfehlungen für Fangquoten in der Ostsee - Wissenschaftler empfehlen erneut Null-Quote für Westlichen Hering und für den Östlichen Dorsch - Dorsch- und Heringspopulationen sind in kritischem Zustand - Deutsche Umwelthilfe und Our Fish fordern Ende der Überfischung
Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) empfiehlt einen Fangstopp für den Westlichen Hering und den Östlichen Dorsch in der Ostsee. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Our Fish fordern die EU-Kommission sowie die EU-Fischereiminister auf, die wissenschaftlichen Empfehlungen umzusetzen und die Vorgaben der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) einzuhalten. Deutschland steht auf Platz eins der Überfischungs-Sünder in der Ostsee. Die Hälfte der kommerziell genutzten Fischbestände wird in der Ostsee noch immer überfischt. Im Oktober entscheiden die EU-Fischereiminister über die zulässigen Fangmengen für 2021. Insbesondere Deutschland, das in diesem Jahr die EU Ratspräsidentschaft innehat, ist in der Verantwortung, die rechtlichen Vorgaben der GFP umzusetzen.
"Die Ostsee befindet sich in einem bedenklichen ökologischen Zustand. Jahrzehntelange Überfischung und Verschmutzung haben zum Verlust der Lebensräume wichtiger Speisefischarten wie Hering und Dorsch geführt. Die Auswirkungen des Klimawandels kommen erschwerend hinzu," sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Bundesfischereiministerin Julia Klöckner und ihre europäischen Kollegen müssen endlich auf die Empfehlungen der Wissenschaft hören und den geschwächten Fischpopulationen eine Chance zur Erholung geben. Die EU muss nachhaltige Fangquoten, inklusive einer Nullquote für die besonders bedrohten Bestände des Westlichen Herings und Östlichen Dorschs beschließen. Außerdem brauchen wir bessere Kontrollen für die Einhaltung der Quoten und die Überwachung der sogenannten Anlandeverpflichtung auf See und in den europäischen Häfen," so Müller-Kraenner weiter.
Bereits in den letzten beiden Jahren empfahlen die Wissenschaftler für den Westlichen Heringsbestand einen Fangstopp. Dies wurde von den Fischereiministern der EU-Mitgliedstaaten ignoriert. Die Heringspopulation konnte sich dadurch nicht erholen. Auf Basis dessen empfiehlt der ICES die Heringsfischerei sofort zu stoppen und zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Auch die Population des Östlichen Dorsches befindet sich immer noch in einer Notlage. Die Nachwuchsrate ist sehr niedrig. Die Größe der Fische und ihre frühe Geschlechtsreife zeigen, dass sich die östliche Population in einem kritischen Zustand befindet. Trotz der wissenschaftlichen Empfehlungen, keine Dorsche in der östlichen Ostsee im Jahr 2020 zu fangen, wurde eine Beifangquote von 2000 Tonnen für den Östlichen Dorsch festgelegt, damit andere Fischereien in diesen Fangebieten nicht geschlossen werden müssen. Jedoch sind nicht gemeldete illegale Rückwürfe aufgrund der schlechten Überwachung und Kontrolle der Anlandeverpflichtung weit verbreitet und wirken einer Erholung der Population entgegen. Außerdem wird beim Dorschfang im Mischgebiet des Westlichen und Östlichen Dorsches zu viel Östlicher Dorsch beigefangen. Das lässt die ohnehin schon stark überfischte Population trotz Fangverbot weiter abnehmen.
Auch die Population des Westlichen Dorsches in der Ostsee befindet sich in keinem guten Zustand. Der Nachwuchs des Westlichen Dorsches war in den letzten beiden Jahren zu gering, um die Population wieder aufzufüllen.
Rebecca Hubbard, Direktorin der Our Fish-Kampagne dazu: "Mit dem Europäischen Green Deal und der EU-Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt hat die Kommission ihre Verpflichtung zur Beendigung der Überfischung, zur Wiederherstellung der Gesundheit unserer Meere und zur Unterstützung eines Übergangs zu nachhaltigeren Fangmethoden erneut bekräftigt. Es ist nun an der Zeit, die Interessen der Natur und aller europäischen Bürger vor die Interessen einiger weniger Fischereikonzerne zu stellen. Jede Entscheidung, die nicht zu einem Ende der Überfischung in der Ostsee in diesem Jahr führt, untergräbt die Ziele des Europäischen Green Deal und wird die Auswirkungen der Biodiversitäts- und Klimakrise nur verschlimmern."
Hintergrund:
Die Empfehlungen des ICES für die Fangmengen liefern die wissenschaftliche Grundlage für den Vorschlag der EU-Kommission und die anschließenden Beratungen des EU-Ministerrates (Agrifish Council) über die zulässigen Gesamtfangmengen, die Total Allowable Catches, in der Ostsee. Der Ministerrat legt die Fangmöglichkeiten für die Ostsee auf seiner jährlichen Tagung im Oktober fest. Diese Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Das macht es für die Öffentlichkeit beinahe unmöglich, nachzuvollziehen, welcher EU-Staat die Überfischung weiter vorantreibt. Die wissenschaftlichen Empfehlungen wurden bei der Festlegung der Fangquoten in der Vergangenheit oft überschritten. Im Jahr 2019 wurden die Fanggrenzen für fünf von zehn Fischbeständen in der Ostsee oberhalb der wissenschaftlichen Empfehlungen festgelegt. Die Anlandeverpflichtung trat am 1.1.2019 EU-weit vollumfänglich in Kraft, in der Ostsee gilt sie schon seit 2017. Demnach müssen alle gefangenen Fische, für die Fangbegrenzungen oder Mindestreferenzgrößen existieren, mit an Land gebracht werden.
Links:
Zu den ICES-Empfehlungen:
Westlicher Hering: http://ices.dk/sites/pub/Publication%20Reports/Advice/2020/2020/her.27.20-24.pdf
Östlicher Dorsch: http://ices.dk/sites/pub/Publication%20Reports/Advice/2020/2020/cod.27.24-32.pdf
Westlicher Dorsch: http://ices.dk/sites/pub/Publication%20Reports/Advice/2020/2020/cod.27.22-24.pdf
Deutschland auf Platz 1 der Überfischungs-Sünder, siehe Landing the Blame report: https://neweconomics.org/2019/12/landing-the-blame-overfishing-in-the-baltic-sea-2020
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer DUH
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Rebecca Hubbard, Programmdirektorin Our Fish
+34 657669425, rebecca@our.fish
Katja Hockun, Projektmanagerin Meeresnaturschutz DUH
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