Deutsche Umwelthilfe gewinnt vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Bundesverkehrsministerium: Ministerium muss Akten des VW-Dieselskandals endlich herausgeben
Berlin (ots)
Bundesverwaltungsgericht lässt Revision des Bundesverkehrsministeriums gegen Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zur Offenlegung der Akten zum Dieselskandal nicht zu - Bundesverkehrsministerium muss der Deutschen Umwelthilfe Einsicht in die Unterlagen der "Untersuchungskommission Volkswagen" gewähren - "Verkehrsminister Scheuer ist damit endgültig gescheitert, die Kumpanei des Verkehrsministeriums mit der Volkswagen AG als Hauptverursacher des Dieselabgasskandals geheim zu halten", so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch
In einem heute zugestellten Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, die Revision des Bundesverkehrsministeriums gegen ein erfolgreiches Urteil der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nicht zuzulassen (BVerwG 10 B 18.19). Die DUH hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht Berlin als auch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen das Bundesverkehrsministerium wegen der Akteneinsicht in wesentliche Akten des Dieselabgasskandals gewonnen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte die Revision nicht zugelassen. Dagegen hatte das Bundesverkehrsministerium Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Diese Beschwerde wurde nun ebenfalls zurückgewiesen, sodass nunmehr endgültig feststeht, dass das Bundesverkehrsministerium die Akteneinsicht zu gewähren hat.
Das Verfahren betrifft die Einsicht in wesentliche Unterlagen der vom Bundesverkehrsministerium eingerichteten "Untersuchungskommission Volkswagen". In deren Rahmen wurde der Diesel-Abgasskandal bei Millionen Diesel-Pkw mit Blick auf deren Schadstoffemissionen und Hinweise zu möglichen Abschalteinrichtungen nicht nur der Volkswagen AG sondern auch weiterer betrügerischen Diesel-Konzerne untersucht.
"Seit über vier Jahren verweigern der ehemalige Verkehrsminister Dobrindt und der amtierende Verkehrsminister Scheuer rechtswidrig die Offenlegung interner Dokumente über die Kumpanei ihres Ministeriums mit dem Volkswagen Konzern. Mit diesem Urteil müssen uns nun ohne weiteren Zeitverzug die Unterlagen ausgehändigt werden. Über die gesamte Verfahrensdauer hinweg wurde vom Verkehrsministerium nichts unversucht gelassen, das ungewöhnlich enge Verhältnis insbesondere zwischen dem VW-Konzern und der Bundesregierung zu verschleiern und die rechtlich vorgeschriebene Transparenz zu verhindern. Abermals musste die DUH einen langjährigen Rechtsweg bestreiten, um sicherzustellen, dass die Hintergründe und die geheimen Absprachen zwischen Regierung und Verursachern des Dieselskandals transparent werden", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertreten hat, sagt: "Die Zeit des Verschleppens und Verzögerns ist endlich vorbei. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, wie die Absprachen zwischen Verkehrsministerium und Volkswagen im Herbst 2015 liefen."
In einem zweiten noch anhängigen Verfahren fordert die DUH Einsicht in ein Dokument der Volkswagen AG, in dem der Konzern im November 2015 gegenüber dem Bundesverkehrsministerium falsche CO2-Werte bei 800.000 Pkw eingestanden und dessen Zustandekommen näher erläutert hatte. Die DUH hatte auch hier in beiden Instanzen gewonnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Verfahren die Revision auf Antrag der Volkswagen AG zugelassen, weil näher geklärt werden könne, ob staatsanwaltschaftliche Ermittlungen einen Ausschlussgrund für die Akteneinsicht darstellen.
Hintergrund:
UIG-Klage auf Akteneinsicht in Akten der Untersuchungskommission Volkswagen: Die DUH hat gegenüber dem Verkehrsministerium einen Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) auf Einsicht in alle Unterlagen gestellt, die zwischen dem 15. September und dem 15. Oktober 2015 im Rahmen der Volkswagen-Untersuchungskommission erstellt worden sind. Nicht beansprucht werden solche Dokumente, auf die kein Einsichtsrecht besteht, wie bei Unterlagen die Betriebsgeheimnisse berühren, geistiges Eigentum betreffen oder persönliche Daten.
Nachdem das Ministerium diesen UIG-Antrag vom 24. Februar 2016 abgelehnt hatte, reichte die DUH am 7. Juli 2016 Klage vor dem VG Berlin ein. Die DUH wollte Einblick nehmen in die ihr nach UIG-Recht zustehenden Dokumente (Korrespondenz des Ministeriums mit anderen Behörden, Kontakte zu den Autokonzernen, Besprechungsprotokolle und Messdaten etc.). Zuletzt befürwortete das Ministerium sogar Beiladungsanträge von 15 Unternehmen der Automobilindustrie, die das Verfahren um Monate weiter verzögert und vor allem das Kostenrisiko für die DUH nicht mehr beherrschbar gemacht hätten. Diese Beiladungsanträge wurden am 13. Oktober 2017 vom VG Berlin und die darauffolgende Beschwerde am 10. November 2017 vom OVG Berlin-Brandenburg abgewiesen (OVG 12 L 81.17). Das VG Berlin hat der Klage der DUH am 30. November 2017 nach einer längeren Verhandlung stattgegeben und entschieden, dass das Bundesverkehrsministerium der DUH Einsicht in die von ihr begehrten Dokumente aus den ersten turbulenten Monaten nach Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals gewähren muss. Dagegen legte das Verkehrsministerium Berufung ein. Diese wurde durch das OVG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen. Die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Verkehrsministerium eingelegte Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht durch einen am 2. Juni 2020 zugestellten Beschluss vom 22. April 2020 zurückgewiesen.
UIG-Klage zu CO2-Werten bei VW-Pkw: Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat 19. Dezember 2017 nach ausführlicher mündlicher Verhandlung (VG 2 K 236.16) entschieden, dass das Bundesverkehrsministerium (BMVI) der DUH Einsicht in ein von der Volkswagen AG an das BMVI übersandtes Dokument gewähren muss, mit der die Volkswagen AG im November 2015 falsche CO2-Werte bei 800.000 Fahrzeugen anzeigte. Dagegen legte das Verkehrsministerium Berufung ein. Diese wurde durch das OVG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen. Die gegen die Nichtzulassung der Revision durch die Volkswagen AG eingelegte Beschwerde führte dazu, dass das Bundesverwaltungsgericht die Revision durch einen am 2. Juni 2020 zugestellten Beschluss vom 22. April 2020 zugelassen hat.
Am 4. November 2015 hatte Verkehrsminister Alexander Dobrindt in einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages gegenüber Medienvertretern mitgeteilt, dass die Volkswagen AG dem Ministerium Unterlagen ausgehändigt hat, aus denen sich ergibt, dass die CO2-Emissionen von Fahrzeugen der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat zu niedrig angegeben worden sind. Betroffen seien 800.000 Autos, davon 98.000 Fahrzeuge mit einem Benzin-Motor. Die DUH begehrte daraufhin Einsicht in die angesprochenen Unterlagen gemäß Umweltinformationsgesetz (UIG). Zudem begehrte die DUH Einsicht in die dazu erstellten Unterlagen durch das BMVI.
In den Monaten danach will die Volkswagen AG zu der Erkenntnis gelangt sein, dass es doch keine unzutreffenden CO2-Angaben gegeben habe und man sich vielmehr in einem zulässigen Toleranzrahmen bewegt habe. Der Antrag der DUH dient der Aufklärung dieses Vorgangs.
Nachdem das BMVI den Antrag der DUH vom 5. November 2015 am 22. Dezember 2015 abgelehnt hatte und auch der Widerspruch der DUH vom 12. Januar 2016 mit Bescheid vom 1. April 2016 zurückgewiesen wurde, reichte die DUH am 2. Mai 2016 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMVI, ein.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe, www.instagram.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell