Deutsche Umwelthilfe zieht Halbzeitbilanz zur IAA: Deutsche Autokonzerne setzen weiter auf spritdurstige Klimakiller-SUV und die Bundesregierung unterstützt sie dabei
Berlin (ots)
- DUH-Verkehrs- und Marktüberwachungsteam mit Check auf der Automesse in München: Während insbesondere chinesische Aussteller auch lieferfähige kleine Elektro-Pkw zeigen, konzentrieren sich deutsche Autokonzerne auf nochmals größere und stärker motorisierte Verbrenner-Pkw
- Energieverbrauchskennzeichnung als Farce: Vor allem die deutschen Autokonzerne präsentieren ihre Fahrzeuge mit einem leeren Formular - so wie vom grünen Klimaschutzministerium sogar empfohlen
- Pünktlich zum Start der IAA unterstützt Bundeswirtschaftsminister Habeck seit dem 1. September 2023 den für die Industrie besonders profitablen Verkauf von Dienstwagen mit Diesel- und Benzinmotoren durch die Verteuerung von Elektro-Modellen um 3.000 Euro
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert zur Halbzeit die Internationale Automobilausstellung IAA in München als "Greenwashing-Veranstaltung einer am klimaschädlichen Verbrenner festhaltenden Branche". Vor allem die deutschen Hersteller Audi, BMW, Mercedes-Benz, Porsche und Volkswagen setzen klare Prioritäten - gegen den Klimaschutz. So feuerten ihre Konzernchefs in ihren Reden zur Ausstellungseröffnung ein wahres Feuerwerk an Elektroversprechen für die Zukunft ab und schmücken ihre Ausstellungsflächen mit futuristischen elektrischen Konzept-Showcars. Tatsächlich forcieren sie jedoch offensiv den Verkauf von besonders klimaschädlichen Verbrenner-Pkw, um ihre Kunden "nicht durch schnelle Schritte in die E-Mobilität zu überfordern", wie dies ein VW-Manager offen zugibt.
Auf der Münchner IAA 2023 liegt der Schwerpunkt auf immer größeren, schwereren und damit spritdurstigeren Diesel- und Benzin-Fahrzeugen mit CO2-Emissionen, die teils mehr als drei Mal so hoch wie der erlaubte Flottengrenzwert der EU sind. Elektrische Klein- oder Kompaktwagen aus deutscher Produktion fehlen hingegen. Bei dieser Modellpolitik gegen den Klimaschutz werden die deutschen Autokonzerne von der Bundesregierung gleich doppelt unterstützt: Zum einen verteuert das Wirtschaftsministerium seit dem 1. September 2023 und damit pünktlich zum Start der IAA Elektro-Dienstwagen um bis zu 3.000 Euro durch den Wegfall der gewerblichen Elektro-Pkw-Förderung. Hinzu kommt die fehlende Kennzeichnung der Energieeffizienz ausgerechnet bei den Fahrzeugen aus deutscher Produktion. Vor den oft hohen Verbräuchen und CO2-Emissionen werden Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mit der eindeutig verständlichen Farbampel gewarnt - und das auch noch auf ausdrückliche Empfehlung des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums (BMWK). Zudem fehlt ausgerechnet bei den batterieelektrischen Fahrzeugen eine differenzierte Effizienzdarstellung. Stattdessen erscheinen auch extrem stromintensive Elektro-Stadtpanzer in der besten Effizienzklasse. Der grüne Vizekanzler Robert Habeck unterstützt den klimaschädlichen Kurs der deutschen Autoindustrie sogar noch viel weitgehender: In Zukunft will man der Branche ermöglichen, bei Werbung im Internet störende Angaben zu Spritverbrauch, CO2-Emissionen oder Effizienzklasse nicht mehr direkt erscheinen zu lassen.
"Während die deutschen Hersteller mit immer höher motorisierten und wachsenden Diesel- und Benzin-Dinosauriern jeden Ansatz einer nachhaltigen Modellpolitik vermissen lassen, fehlt von Seiten der Bundesregierung der Wille, die dringend notwendige Antriebs- und Mobilitätswende zu gestalten. Obwohl der Verkehrssektor die gesetzlichen Klimaschutzvorgaben verfehlt, weigert sich die Bundesregierung, hier gegenzusteuern. Unser Vorwurf lautet: BMW, Mercedes-Benz und VW bestimmen nicht nur die Politik der FDP-Finanz- und Verkehrsminister, sondern auch die des grünen Wirtschaftsministers. Da wir davon ausgehen, dass sich an der Fernsteuerung auch der Ampel-Regierung durch die Autokonzerne von alleine nichts ändern wird, setzen wir auf unsere bereits im November zu verhandelnden Klagen gegen die Bundesregierung, mit denen wir sie zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes zwingen werden," so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Mit großer Sorge beobachtet die DUH die Entwicklung immer größerer, schwererer Pkw und den daraus resultierenden hohen Energieverbrauch im realen Fahrbetrieb. Das zeigt das 2.770 kg schwere Elektro-Spitzenmodell von BMW eindrücklich, jetzt gegenüber dem Vorjahresmodell noch einmal mit 116 PS stärkerem Motor, um den Koloss in 3,7 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. Ein weiteres Beispiel ist der größte Klimakiller-SUV aus deutscher Produktion, ab Oktober im Handel: der nochmals aufgemotzte Mercedes GLS 580 4-Matic mit Benzin-Motor und bis zu 321 g CO2/km. Diesen Trend übertragen die Autobauer verheerenderweise auch auf die Elektro-Modelle, was beim aktuellen Strommix ebenfalls zu unverantwortlichen Klimagasemissionen führt. So hat sich der SUV-Anteil bei den Elektrofahrzeugen besonders schnell vergrößert, von 23 Prozent in 2021 auf gigantische 62 Prozent im bisherigen Jahr 2023. Die E-SUV von Mercedes zählen in Gewicht und Stromverbrauch zu den negativen Spitzenreitern unter den aktuell beworbenen Fahrzeugen auf der IAA mit 22 bis 24 kWh/100 km, genauso wie das Elektro-Spitzenmodell von BMW, der über 2,5 Tonnen schwere iXM60 mit bis zu 24,7 kWh/100 km.
Während insbesondere chinesische Hersteller auch elektrische Klein- und Kompaktwagen zeigen, fangen die Elektro-Modelle der deutschen Hersteller eigentlich erst in der oberen Mittelklasse an und reichen bis in die Super-Luxusklasse. Zudem sind viele Modelle aus deutscher Produktion in diesem Jahr gar nicht mehr lieferbar - im Gegensatz zu konventionellen Modellen mit alter Benzin- und Diesel-Technologie. Die deutschen Hersteller präsentieren diese für sie hochprofitablen Dienstwagenmodelle mit neuen technischen Features, die oft nur in Verbrenner-Modellen und nicht in den Elektro-Modellen desselben Herstellers angeboten werden.
"Wir brauchen eine starke und mutige Regierung, die die Kraft aufbringt, die bestehenden Fehlanreize und Bezuschussung mit bis zu 57 Prozent des Kaufpreises für besonders klimaschädliche Fahrzeuge zu beenden. Stattdessen muss endlich die Pkw-Besteuerung so umgestaltet werden, dass Fahrzeuge mit fossilem Antrieb deutlich höher belastet und effiziente Elektro-Pkw dafür nur niedrig besteuert werden", so Resch weiter.
Hintergrund:
Ergebnisse der DUH-Marktüberwachung aller ausgestellten Pkw-Neuwagen auf der IAA in München: Nahezu alle deutschen Hersteller setzen die absurde "Empfehlung" des BMWK um und zeigen ihre Autos mit leeren Energieverbrauchslabeln und WLTP-Beiblättern. Andere Hersteller verwenden bei der Bewerbung ihrer vollelektrischen Modelle einmal Label mit der Skala von A+++ bis G und andere das (veraltete) Label mit Skala von A+ bis G. So ist beispielsweise ein Tesla-Modell mit 14,0 kWh Stromverbrauch mit Effizienzklasse A+ ausgestellt, ein E-Modell der chinesischen Marke Maxus mit 21,5 kWh Stromverbrauch wird mit Effizienzklasse A+++ präsentiert. Die vom BMWK ebenso empfohlenen WLTP-Beiblätter befinden sich häufig auf Knöchel- bzw. Schienbeinhöhe (u.a. Audi und Ford) oder wie bei Porsche auf der Rückseite der Aufsteller und werden von Besuchern nicht wahrgenommen. Mehrere Automobilaussteller unterlassen die Kennzeichnung ihrer Fahrzeuge gänzlich, darunter BYD als weltweit größter Hersteller von E-Autos.
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Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH
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