Feinstaub: Erstmals Klage für saubere Luft
Betroffene Bürger verklagen das Land Berlin wegen verfehlter Luftreinhaltepolitik
Berlin (ots)
Deutsche Umwelthilfe unterstützt weitere Klagen in Stuttgart, München und anderen Städten
Bundesfinanzminister Eichel bremst weiter bei Steueranreizen für Rußfilter
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) will die Einhaltung der seit dem 1. Januar 2005 EU-weit verbindlichen Luftreinhaltevorschriften juristisch und politisch auf allen Ebenen beschleunigen. Dies sei angesichts der kürzlich von der EU veröffentlichten dramatischen Zahlen, wonach die Luftbelastung mit Feinstaub allein in Deutschland jährlich zu mehr als 65.000 vorzeitigen Todesfällen führe, dringend erforderlich. Die Deutsche Umwelthilfe unterstützt drei Anwohner der hochbelasteten Frankfurter Allee im Berliner Stadtteil Friedrichshain, die heute ihre Klage beim Verwaltungsgericht Berlin einreichten. Vor Journalisten in Berlin kündigte die DUH an, entsprechende Klagen für betroffene Bürger auch in München, Stuttgart und anderen Großstädten vorzubereiten. Bundesfinanzminister Eichel warf die Umweltorganisation vor, bei der Umsetzung der erst vor wenigen Wochen mit Bundeskanzler Schröder und Bundesumweltminister Trittin vereinbarten Eckpunkte zur steuerlichen Förderung des Dieselrußfilters weiter zu bremsen.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärte, angesichts der realen Lage sei die Hinhaltetaktik auf allen politischen Ebenen nicht länger hinzunehmen. Resch: "Die Klagen der Betroffenen geschehen aus reiner Notwehr". Es könne nicht sein, dass die Verantwortlichen in den Kommunen aus Angst vor der Wut der Autofahrer alle schnell greifenden Maßnahmen auf die lange Bank schöben, der Bundesfinanzminister die steuerliche Förderung im Sinne deutscher Autokonzerne verzögere, weil die die Filterentwicklung über Jahre penetrant verweigert hätten und die Länder von der Förderung nichts mehr wissen wollten, weil sie fürchteten, dass sie vom Dieselboom nicht mehr ganz so stark profitieren könnten, wie zuvor erhofft. Resch: "Nicht die Umweltschützer sind verantwortlich, wenn jetzt drastische Maßnahmen wie Verkehrssperrungen notwendig werden, sondern diejenigen, die jahrelang glaubten, sich aus der Verantwortung stehlen zu können".
Rechtsanwalt Dr. Fabian Löwenberg (Kanzlei Löwenberg Rechtsanwälte, Berlin) stellte die Klage der Berliner Bürger vor. Im Kern verlange die Klage die möglichst schnelle Einhaltung der EU-Grenzwerte. Das angestrengte Verfahren im so genannten einstweiligen Rechtsschutz ziele auf die Beschleunigung wirksamer Maßnahmen. "Der Luftreinhalte- und Aktionsplan sieht zur Verringerung der Feinstaubbelastung in der Berliner Innenstadt erst ab 2008 zusätzliche Maßnahmen vor. Er verzichtet aber auf alles, was zur sofortigen Minderung der überhöhten Feinstaubbelastung an den Hauptverkehrsadern der Berliner Innenstadt geeignet wäre."
Der vorgelegte Luftreinhalte- und Aktionsplan für Berlin werde deshalb noch nicht einmal seinem Namen gerecht. Ein Aktionsplan heiße Aktionsplan, weil er Ziele mit kurzfristig wirksamen Aktionen erreichen solle. Die würden jedoch in dem Plan auf die Jahre 2008 und 2010 verschoben und auch dann nur halbherzig angegangen. Löwenberg: "Der Luftreinhalte- und Aktionsplan für Berlin ist in seiner aktuellen Form völlig ungeeignet, die Gesundheit der Menschen in den kommenden Jahren vor Feinstaubgefahren zu schützen."
Deshalb sei das Land Berlin verpflichtet, auch so genannte "planunabhängige Maßnahmen" zu ergreifen, um die Grenzwerte für Feinstäube einzuhalten und damit eine akute Gesundheitsgefährdung seiner Bürger zu verhindern. Es gehe darum, effektive und unmittelbar wirksame Maßnahmen zur gezielten Reduzierung von Feinstäuben zu ergreifen. Konkretes Ziel der Klage sei, das Land Berlin zur Ergreifung von planunabhängigen Maßnahmen zu zwingen. Die könnten zum Beispiel in Fahrverboten für Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter bestehen. Oder der Senat könnte zur Aufstellung eines Aktionsplans verpflichtet werden, der diesen Namen verdient und konkrete Maßnahmen bereits im Jahre 2005 vorsieht.
Rechtsanwalt Dr. Remo Klinger (Rechtsanwaltskanzlei Geulen&Klinger, Berlin) erklärte, er habe am heutigen Montag im Namen Betroffener in Stuttgart und München die dortigen Behörden mit entsprechenden Anträgen aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die EU-Grenzwerte einzuhalten. Entsprechend werde man in weiteren Städten mit ständigen Grenzwertüberschreitungen vorgehen. Die Städte hätten nun vier Wochen Zeit, der Aufforderung nachzukommen, bevor Klage eingereicht würde. Sollte die Zahl der zulässigen 35 Überschreitungen des Tagesgrenzwerts vorher überschritten werden, könne man auch sofort klagen.
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch berichtete über weitere Verzögerungen bei der Umsetzung der von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesfinanzminister Hans Eichel und Bundesumweltminister Jürgen Trittin vereinbarten Eckpunkte zur steuerlichen Förderung der Rußfilter in Deutschland. Das Bundesfinanzministerium habe vergangene Woche immer noch keinen Entwurf für die steuerliche Förderung erarbeitet. Darüber hinaus bestreitet Eichel offensichtlich die Notwendigkeit der Nachrüstung älterer Diesel-Pkw mit Partikelfiltern. Bleibt es zudem bei der von Eichel betriebenen Verlangsamung des Verfahrens, ist eine Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung vor Jahresende nicht möglich. Resch: "Eichel bleibt bei seiner Linie, er verfolgt weiterhin die Interessen von Teilen der Autoindustrie, gefährdet tausende von Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie und untergräbt fortgesetzt die Autorität des Bundeskanzlers."
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