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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Krimi um Brunsbüttel-Schwachstellenliste geht in die entscheidende Phase

Berlin (ots)

Deutsche Umwelthilfe klagt vor OVG Schleswig auf
Herausgabe der Liste - Brunsbüttel-Betreiber Vattenfall fürchtet 
Wertminderung des Reaktors, wenn Sicherheitsmängel bekannt werden - 
Umwelthilfe: "Unglaubliche Argumentation" - Sicherheitsdebatte stört 
Betreiberanträge auf Laufzeitverlängerung
Seit fast sechs Jahren wird der fragwürdige Sicherheitszustand des
Atomkraftwerks Brunsbüttel von den Stromkonzernen Vattenfall und E.ON
in enger Abstimmung mit der Atomaufsicht des Landes 
Schleswig-Holstein vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. 
Gleichzeitig soll Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf Antrag des 
Reaktorbetreibers Vattenfall den Betrieb des 30 Jahre alten 
Siedewasserreaktors sogar über die im Atomkonsens vereinbarte 
Betriebsdauer hinaus verlängern, ohne dass zuvor Klarheit über die 
Sicherheitsmängel geschaffen wird. Auf diese "ebenso einmalige wie 
skandalöse Situation" hat der Bundesgeschäftsführer der Deutschen 
Umwelthilfe e. V. (DUH), Rainer Baake, heute in Kiel hingewiesen.
Die Umweltorganisation bemüht sich seit August letzten Jahres um 
die Herausgabe einer "Schwachstellenliste", die auf eine Ende Juni 
2001 abgeschlossene so genannte periodische Sicherheitsüberprüfung 
(PSÜ) des Atomkraftwerks Brunsbüttel zurückgeht. Die für die 
Atomaufsicht in Schleswig-Holstein zuständige Sozialministerin Gitta 
Trauernicht (SPD) hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass noch
immer "hunderte offener Punkte" nicht abgearbeitet worden seien. 
Trauernicht stimmte im November 2006 zwar zunächst der von der DUH 
auf Basis der EU-Umweltinformationsrichtlinie beantragten 
Einsichtnahme in die Liste grundsätzlich zu, wies jedoch anschließend
den Antrag der Umweltschützer auf sofortige Vollziehung dieser 
Entscheidung zurück. Seither will die DUH die Herausgabe der 
Mängelliste vor Gericht erzwingen. Ein entsprechender Antrag steht 
derzeit beim Oberverwaltungsgericht Schleswig zur Entscheidung an. 
Gleichzeitig klagt Vattenfall als Betreiber des AKW Brunsbüttel unter
Hinweis auf angebliche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gegen die 
Herausgabe der Liste.
"Die Tatsache, dass der Vattenfall-Konzern hoch dotierte 
Anwaltskanzleien statt der eigenen Rechtsabteilung engagiert, um die 
Herausgabe der Schwachstellenliste zu verzögern, ist nicht gerade ein
Beleg für die Harmlosigkeit der darin enthaltenen Mängel", sagte 
Baake. Dafür, dass Vattenfall die Bürgerinnen und Bürger in 
Schleswig-Holstein über den wahren Sicherheitszustand im Unklaren 
lassen wolle, spreche jedoch nicht nur das verbissene juristische 
Vorgehen gegen das Auskunftsbegehren der DUH, sondern auch die 
beantragte Übertragung von Strommengen aus dem Kontingent des 
stillgelegten RWE-AKW Mülheim-Kärlich auf das AKW Brunsbüttel. "Hätte
Vattenfall eine Strommengenübertragung von einem noch betriebenen 
AKW, etwa dem eigenen AKW Krümmel beantragt, so hätte der 
Bundesumweltminister eine vergleichende Überprüfung des 
Sicherheitszustandes der beiden Reaktoren durchgeführt. Durch die Art
der Antragstellung versucht Vattenfall einer Debatte über die 
Sicherheitsdefizite in Brunsbüttel zu entgehen", erläuterte Baake, 
der während seiner Zeit als Umweltstaatssekretär der rot-grünen 
Bundesregierung den Atomkonsens mit den Unternehmen ausgehandelt 
hatte.
Auch im aktuellen Verfahren um die Schwachstellenliste will 
Vattenfall vor allem eine weitere öffentliche Diskussion über die 
Sicherheitsdefizite des Siedewasserreaktors an der Elbe verhindern. 
"In diesem Verfahren wird verzögert und vernebelt mit dem einzigen 
Ziel, die Öffentlichkeit über den wahren Sicherheitszustand dieses 
ältesten Siedewasserreaktors in Deutschland im Unklaren zu lassen und
die von der Stromwirtschaft und ihren Lautsprechern in der Politik 
angezettelte Kampagne zur Aufkündigung des Atomausstiegs nicht zu 
stören", erklärte Cornelia Ziehm, die Leiterin Verbraucherschutz und 
Recht der DUH. Bisher habe Vattenfall nicht einmal versucht, seine 
Behauptung, die Liste berühre Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, 
konkret zu belegen. Vielmehr begründe der Konzern die Geheimhaltung 
der Mängelliste vor Gericht mit dem Argument, sie erlaube eine 
Bewertung des aktuellen Anlagenzustandes und lasse so Rückschlüsse 
auf Nachrüstungserfordernisse, fehlende Sicherheitsnachweise und 
damit den Wert der Anlage zu. Vattenfall würde deshalb bei einem 
möglichen Verkauf der Anlage ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, 
da ein potenzieller Käufer durch die Veröffentlichung der Liste (etwa
durch die DUH) den mangelhaften Zustand des Reaktors erkennen und in 
der Folge den Kaufpreis mindern könne.
Ziehm: "Das ist eine unglaubliche Argumentation, die im Klartext 
bedeutet, dass Vattenfall Schwachstellen und Nachrüstnotwendigkeiten 
des AKW Brunsbüttel einem potenziellen Käufer verschweigen würde, 
damit sich ein solches Eingeständnis nicht negativ auf den Kaufpreis 
auswirken kann." Es offenbare sich - jenseits der interessanten 
Vorstellung eines Verkaufs des 30 Jahre alten Brunsbüttel-Reaktors - 
"eine Haltung, die beim Verkauf eines Gebrauchtwagens mit defekten 
Bremsen jedermann als schlicht kriminell einstufen würde."
DUH-Geschäftsführer Baake forderte Sozialministerin Trauernicht 
auf, die "vielen Ungereimtheiten um den Zustand des Atomkraftwerks 
Brunsbüttel endlich aufzuklären." Keinen Tag länger dürfe sie die 
Vernebelungs- und Verzögerungstaktik von Vattenfall decken, sondern 
müsse die Schwachstellenliste unverzüglich den von einem schweren 
Unfall potenziell betroffenen Bürgern zugänglich machen. "Vor allem 
aber muss Frau Trauernicht die Abarbeitung der Liste atomrechtlich 
anordnen, Punkt für Punkt, und zwar sofort!"
Das AKW Brunsbüttel ist der älteste Siedewasserreaktor (SWR) in 
Deutschland und hält mit über zehn Jahren unter allen deutschen 
Atomkraftwerken den "Rekord" im Hinblick auf defekt- und 
nachrüstungsbedingte Stillstandszeiten. Im Dezember 2001 erschütterte
eine schwere Wasserstoffexplosion den Reaktor, deren Aufklärung das 
Unternehmen über zwei Monate verhinderte. Im vergangenen Sommer 
geriet der Meiler erneut in die Schlagzeilen, nachdem die DUH 
Einzelheiten über schwere Defizite in der Notstromversorgung 
veröffentlicht hatte und die Unternehmensleitung zunächst falsche 
Angaben bezüglich der Vergleichbarkeit des Notstromsystems mit dem 
des schwedischen Pannenreaktors Forsmark machte. Außerdem ist der 
Siedewasserreaktor schlechter als die meisten anderen deutschen 
Meiler gegen terroristische Angriffe aus der Luft gesichert.

Pressekontakt:

Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: Mobil: 0151 55016943, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Recht, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030/258986-0, 0160 5337376, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax: 030 258986-19,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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