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Der Tagesspiegel

Pressestimmen: Führender Völkerrechtler zu Irak

Berlin (ots)

Der künftige Richter am Internationalen Gerichtshof
der UN in Den Haag, Bruno Simma, hat sich für einen Militärschlag
ausgesprochen, sollte Saddam nicht die UN-Resolutionen erfüllen. "Wie
es aussieht, sind die milderen Mittel ausgereizt", sagte Simma im
Interview mit dem Tagesspiegel. Allerdings sei dafür eine zweite,
eindeutige Resolution des UN-Sicherheitsrats nötig, die erste sei ein
"absichtlicher Formelkompromiss". Simma forderte jedoch, die
Waffeninspektionen der UN zunächst gründlich fortzusetzen. "Die
Bedürfnisse des amerikanischen Militärs - etwa, dass es für einen
Krieg im Sommer zu heiß wird - dürfen dabei keine Rolle spielen",
sagte er. Bruno Simma ist Professor für Völkerrecht in München und
tritt am Donnerstag sein Richteramt in Den Haag an. Er ist dort der
dritte deutsche Richter seit Gründung der UN.
Das Interview erscheint in der Mittwochsausgabe des Tagesspiegels.
In der Anlage erhalten Sie es im Wortlaut.
Tagesspiegel: Am heutigen Mittwoch wollen die Die USA wollen dem
Sicherheitsrat Beweise vorlegen, dass der Irak über
Massenvernichtungswaffen verfügt. Wie müssen diese Beweise aussehen,
damit sie Folgen haben?
Simma: Es gibt im Völkerrecht keine Beweisregeln. Die Beweise
müssen den Sicherheitsrat überzeugen. Das ist das einzige, worauf es
ankommt. Je stärker die neuen Beweise die bisherigen Auflistungen
Saddams widerlegen, desto eher wird der Sicherheitsrat einen
Beschluss fassen, dass der Irak die Verpflichtungen aus der
Resolution 1441 nicht zu erfüllen gedenkt.
Wenn der Sicherheitsrat keinen neuen Beschluss fasst, genügt die
Resolution 1441 für ein militärisches Eingreifen der USA?
Die Resolution ist äußerst sorgfältig formuliert. Beide
Auffassungen lassen sich aus ihr ableiten: Die, dass für einen
Militärschlag erst eine weitere Resolution nötig ist, und die, dass
die Amerikaner auch ohne sie losschlagen können. Ein absichtlicher
Formelkompromiss.
Kann eine unklare Resolution einensolchen schwerwiegenden Eingriff
wie einen einen Krieg rechtfertigen?
Die UN-Charta verbietet jede Gewalt, außer zur Selbstverteidigung.
Eine Ermächtigung zum militärischen Eingreifen ist immer eine
Ausnahme und Ausnahmen sind einschränkend zu interpretieren. Die
Amerikaner stehen deshalb unter einer erhöhten Beweislast. Abgesehen
davon wäre es mit einem Makel behaftet, wenn die Amerikaner die
Auffassung der anderen Hälfte der Welt übergingen.
Wenn der Nachweis von Massenvernichtungsmitteln nicht gelingt,
Saddam aber andererseitsauch weiter nicht kooperiert, wie die
Resolution es verlangt - ist dann ein Krieg gerechtfertigt?
Da gibt es das Problem der Verhältnismäßigkeit. Zuvor ist es
nötig, die Inspektionen wirklich umfassend durchzuführen. Es wäre
sehr problematisch, wenn Amerika dies nicht respektierte und
einseitig losschlüge. Der Sicherheitsrat hat aber auch die
Möglichkeit, gleich den Einsatz von Gewalt zu autorisieren, wenn er
mildere Mittel nicht für effektiv hält. Und wie es aussieht, sind die
milderen Mittel ausgereizt.
Ist also eine eindeutige zweite Resolution nötig?
Die Amerikaner argumentieren immer noch auf Grundlage der Kuwait-
Resolutionen von 1990 und 1991. Daraus folgern sie, dass jeder
weitere Verstoß dagegen theoretisch zu einem Einsatz ermächtigt. Die
Resolution 1441 sehen sie lediglich als Bestätigung, dass die
Autorisierung zur Gewalt von damals wieder auflebt. Ich meine aber:
Inzwischen ist so viel Zeit vergangen und so viel passiert, dass dies
allein der Sicherheitsrat feststellen kann. Ich hoffe, dass den
Inspekteuren noch ausreichend Zeit gegeben wird. Die Bedürfnisse des
amerikanischen Militärs - etwa, dass es für einen Krieg im Sommer zu
heiß wird - dürfen dabei keine Rolle spielen.
Hat Deutschland als UN-Mitglied Beistandspflichten, wenn der
Sicherheitsrat einem Militäreinsatz zustimmt?
Nein. Die UN-Charta sieht solche Pflichten zwar vor. Aber dies war
für den Fall gedacht, dass der Sicherheitsrat aufgrund von
Sonderabkommen an einzelne Staaten herantritt und sie um Truppen
bittet. Solche Sonderabkommen sind nie abgeschlossen worden. Nach
einem Gutachten des Bundestags dürfen die Amerikaner ohne neue
Resolution nicht losmarschieren. Tun sie es doch, wäre sogar jede
Unterstützung verboten, weil es sich völkerrechtlich um einen
Angriffskrieg handeln würde. Stimmt das?
Wenn man davon ausgeht, dass die Resolution 1441 keinen Angriff
trägt, ja. Deshalb will man sich in Berlin ja auch in dieser Frage
nicht festlegen.
Viele Experten sagen, das Völkerrecht sei im Umbruch, und die UN
könnten den Herausforderungen des Terrors nicht begegnen. Haben sie
Recht?
Dafür ist der Fall Irak ein denkbar schlechter Anlass. Hier
erwägen die UN, ob sie gegen einen souveränen Staat mit militärischen
Mitteln vorgehen wollen. Das ist genau der Fall, den die Charta im
Auge hat. Die Charta ist dem Terrorismus gewachsen. Man muss
vielleicht die Staaten verpflichten, den Terror wirksam zu bekämpfen.
Dafür muss man die Charta nicht ändern, eine Resolution genügt. Wenn
die Staaten dagegen verstoßen, könnten sie mit Sanktionen belegt
werden. Für eine solche Maßnahme fehlt aber offenbar der politische
Wille. Das ist kein Problem der Charta.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

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Thomas Wurster
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Telefon:030-260 09-419
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