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Der Tagesspiegel

Pressestimmen: Interview mit Chef-Waffeninspekteur Hans Blix zur Sicherheitslage im Irak und Massenvernichtungswaffen

Berlin (ots)

Blix: "Noch ist es für die UN-Inspekteure zu
gefährlich"
Der UN-Chefinspekteur über die Sicherheitslage im Irak und die 
bisher vergebliche Suche nach verbotenen Waffen
Berlin. Die angespannte Sicherheitslage im Irak lässt nach Ansicht
von UN-Chefinspekteur Hans Blix derzeit keine Rückkehr der
Waffeninspekteure in das Land zu. Sollte der Sicherheitsrat aber
beschließen, "dass UN-Inspekteure Beweise, Funde, Berichte an der
Seite der Alliierten bestätigen sollten, wäre unsere Organisation
bereit, das zu tun" sagte Blix dem Tagesspiegel. Allerdings fragt
sich der Schwede inzwischen, ob es im Irak je
Massenvernichtungswaffen gegeben hat: "Ich beginne zu vermuten, dass
es womöglich keine gibt", so Blix. "Wenn das so sein sollte, dann
stellen sich weitere Fragen: Wenn die Iraker die
Massenvernichtungswaffen im Sommer 1991 zerstört haben, wie sie
behaupten, warum haben sie sich in den folgenden Jahren den
Inspekteursteams gegenüber so verhalten, als hätten sie noch Waffen?"
Die möglichen Massenvernichtungswaffen waren einer der Hauptgründe
für den Krieg - ob dieser demnach gerechtfertigt war oder nicht, dazu
will Blix "keine Einschätzung geben", solange er "den UN
verpflichtet" ist. "Aber es ist klar", sagte er: "Einige der Beweise
waren nicht korrekt, alles in allem war es eine schwache Beweislage,
nicht besonders überzeugend."
Es folgt das Interview im Wortlaut:
Herr Blix, was wissen Sie über die derzeitige Arbeit der US-
Inspekteure im Irak? Werden sie Bericht erstatten über ihre Arbeit?
Wenn sie irgendwie glaubwürdig erscheinen wollen, müssen sie schon
irgendwann damit herauskommen, was sie gefunden haben. Alles, was wir
bisher über diese Lkw gehört haben, die mit der Produktion
biologischer Waffen in Verbindung gebracht werden, ist unzulänglich.
Es bräuchte viel mehr Beweise, um das glaubwürdig zu machen.
Es ist fünf Wochen her, dass Saddam verschwunden ist. Müssten da
nicht so langsam etliche gute Hinweise auf dem Tisch liegen?
Viele Leute haben Tipps gegeben, aber wenn dann die Orte
kontrolliert wurden, über die sie berichtet haben, fand man nichts.
Die Tatsache, dass al Saadi (Saddams Berater) sich gestellt und
gesagt hat, dass es keine Massenvernichtungswaffen gab, hat mich dazu
gebracht, mich zu fragen, ob es dort je welche gegeben hat. Ich sehe
keinen Grund, warum er weiter Angst vor dem Regime haben sollte. Auch
andere führende Personen haben das gleiche gesagt.
Wenn die US-Inspekteure etwas fänden, würde ihnen wahrscheinlich
weltweit Misstrauen entgegengebracht. Warum nehmen die USA dieses
Risiko auf sich und arbeiten nicht einfach mit Unmovic zusammen?
Derzeit wäre es aufgrund der angespannten Sicherheitslage
praktisch nicht machbar, UN-Inspekteure in den Irak zu schicken. Ich
habe aber auch den Eindruck, dass die bisher negative Haltung
gegenüber den UN- Inspekteuren, die man heraus halten möchte, sich in
eine generell abwehrende Haltung gegenüber den UN verändert. Das ist
auf verschiedenen Feldern spürbar. Wenn der Sicherheitsrat
beschließen würde, dass UN-Inspekteure Beweise, Funde, Berichte an
der Seite der Alliierten bestätigen sollten, wäre unsere Organisation
bereit, das zu tun. Ein Krieg ist wegen des Verdachts vorhandener
Massenvernichtungswaffen begonnen worden. Wenige Wochen danach wird
kaum noch darüber gesprochen. Wie kann das sein?
Die Hauptrechtfertigung für den Krieg waren
Massenvernichtungswaffen, und es mag sich herausstellen, dass in
dieser Hinsicht der Krieg nicht gerechtfertigt war. Was wird das für
die Zukunft bedeuten? Wie wird man zukünftig mit der Politik solcher
Präventivschläge umgehen können? Und: Kann man sich auf gute
Geheimdienstarbeit verlassen? Ich bin natürlich sehr interessiert an
der Frage: Gibt es Massenvernichtungswaffen oder nicht, und ich
beginne zu vermuten, dass es womöglich keine gibt. Wenn das so sein
sollte, dann stellen sich weitere Fragen: Wenn die Iraker die
Massenvernichtungswaffen im Sommer 1991 zerstört haben, wie sie
behaupten, warum haben sie sich in den folgenden Jahren den
Inspekteursteams gegenüber so verhalten, als hätten sie noch Waffen?
Ich denke, Würde war ein zentraler Faktor für Saddam Hussein. Er
wollte die Bedingungen diktieren, entscheiden, wie weit jemand in
sein Land hinein darf. Deshalb hat er in vielen Situationen "Nein"
gesagt und so den Eindruck erweckt, er verstecke etwas. In der neuen
Resolution steht, der Sicherheitsrat wolle die Mandate der
Inspekteure noch einmal überdenken. Was erwarten Sie konkret?
Es scheint so, dass der Sicherheitsrat die Tür für einen möglichen
Einsatz von Unmovic und IAEO im Irak offenhalten will. Die
Resolutionen, unter denen wir im Irak geabeitet haben, können nicht
länger angewendet werden. Falls wir gebraucht werden sollten, müsste
es einen neuen Beschluss des Sicherheitsrates geben. War der Krieg
gerechtfertigt?
Solange ich noch den UN verpflichtet bin, möchte ich dazu keine
öffentliche Einschätzung geben. Aber es ist klar: Einige der Beweise
waren nicht korrekt, alles in allem war es eine schwache Beweislage,
nicht besonders überzeugend.
Wie sehen Ihre eigenen Pläne aus, wenn Sie New York verlassen
haben?
Ich freue mich darauf, Pilze zu suchen. Ich gehe zurück nach
Stockholm und auf eine kleine Insel, wo wir ein Haus haben.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

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