Länder-Widerstand gegen "knackige Beitragserhöhungen"
Berlin (ots)
Wegen der steigenden Ausgaben für Corona-Tests und weiteren pandemiebedingten Kosten warnt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor deutlich stärkeren Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung als bisher bekannt. "Zu erwarten sind knackige Beitragserhöhungen im nächsten Jahr, ohne dass die Probleme im System gelöst werden", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dem Tagesspiegel (Mittwoch). Er lehnt daher Pläne der Bundesregierung ab, die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von acht Milliarden Euro für die Bewältigung der Corona-Kosten heranzuziehen. Weil kündigte eine Bundesratsinitiative an, um eine zu starke Abwälzung von Kosten etwa auf die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und die Betriebskassen zu verhindern. Ziel sei es, das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz der Bundesregierung über die Länderkammer zu stoppen und notfalls den Vermittlungsausschuss anzurufen, betonte Weil. Er plädiert daher dafür, die privaten Krankenkassen stärker in die Finanzierung einzubeziehen und der Bund solle mehr als die bisher zusätzlich geplanten fünf Milliarden Euro zuschießen, um die Finanzierungslücken zu schließen. "Jetzt kommt ein richtiger Griff in die Kassen, das hält das System nicht aus", sagte Weil. Befürchtet wird, dass durch das Aufbrauchen der Rücklagen viele gesetzliche Krankenkassen in die roten Zahlen rutschen und die Zusatzbeiträge am Ende daher deutlich stärker steigen könnten als de bisher geplanten 0,2 Beitragssatzpunkte. "Beitragserhöhungen sind letztlich für die allermeisten Zahler verdeckte Steuererhöhungen", sagte Weil, der davor warnte, das Gesundheitssystem dauerhaft zu schwächen. "Was wir erleben, ist ein Eingriff, der das Gesundheitssystem insgesamt verändern könnte." Zudem komme der dickste Kostenbrocken erst noch: "Wenn es gut geht, wird im nächsten Jahr eine umfassende Impfwelle durch Deutschland gehen, die sehr viel Geld kosten wird." Und verschont blieben ausgerechnet die Wohlhabenderen, die Selbständigen und die Beamten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Mitte September ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Besonders Kassen, die gut gewirtschaftet haben, würden bestraft, kritisierte Weil. Erwartet wird eine Finanzierungslücke bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von mehr als 16 Milliarden Euro. Deshalb soll die GKV fünf Milliarden Euro mehr an Steuergeldern über den Bundeszuschuss erhalten. Aus den Reserven der Krankenkassen sollen acht Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds fließen. Die verbleibende Lücke von drei Milliarden Euro soll geschlossen werden, indem der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz für 2021 um 0,2 Beitragssatzpunkte auf 1,3 Prozent steigt - aber nun wachsen die Sorgen, dass das längst nicht reichen wird, weshalb nicht nur Weil eine andere Kostenverteilung für den Bund durchsetzen will. Der Krankenkassen-Spitzenverband hatte die Pläne bereits als sozial unausgewogen und als einen massiven Eingriff in die Autonomie der Selbstverwaltung kritisiert.
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