Der Tagesspiegel: Interview mit Wolfgang Petersen über seinen Film "Troja", Homer und Hollywood, Bush und den Irak-Krieg - und über seine Studentenzeit in Berlin
Berlin (ots)
Regisseur Wolfgang Petersen, dessen Historienfilm "Troja" am Sonntag in Berlin Weltpremiere feiert, äußert sich im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" (Ausgabe vom 8.5.) ernüchtert über die USA und die amerikanische Politik. "Als ich 1987 nach Amerika ging, beeindruckte mich der ungenierte, teilweise naive Patriotismus vieler Amerikaner. Auch in den Neunzigern, als wir "Air Force One" drehten, war der Nationalstolz im Vergleich zu heute eher unschuldiger Natur. Bill Clinton war noch Präsident." Eingesetzt habe seine Ernüchterung mit dem Amtsantritt der Bush-Regierung und "mit dem, was nach dem 11. September passierte. Besonders mit dem Irak-Krieg, der völlig unsinnig war. Er hat den Irak ins Chaos gestürzt und die Gefahr des Terrors eher noch verstärkt." Auch den amerikanischen Patriotismus sieht er mittlerweile mit gemischten Gefühlen. Einen Film wie "Air Force One", in dem es um die Entführung der amerikanischen Präsidentenmaschine geht, würde er "heute jedenfalls nicht mehr drehen". Zu den aktiven Hollywood-Kriegsgegnern in Hollywood gehört Petersen nicht: Er habe sich in den letzten zwei Jahren hauptsächlich im Ausland aufgehalten. "Aber ich erinnere mich, dass Julie Christie, die auch in "Troja" mitspielt, anrief, um mir zu sagen, wie stolz sie auf die Deutschen sei. Das war schon eine komische Erfahrung." Auf die Frage nach möglichen Repressionen gegenüber den Kriegsgegnern in Hollywood meint der 63-jährige Hollywoodregisseur im "Tagesspiegel": "Ich kenne niemanden, dem seine Kritik an Bush geschadet hätte. Aber man muss mehr als früher damit rechnen, dass das Telefon abgehört wird. Absurd: Weil man glaubt, die Demokratie in der Welt verteidigen zu müssen, wird sie im eigenen Land zu einem gewissen Grad eingeschränkt." Was den aktuellen History-Boom betrifft, glaubt Petersen, dass sich die Kinozuschauer "nach den vielen Fantasie- und Science-Fiction- Filmen wie ,Herr der Ringe' oder ,Matrix' wieder in großen historischen Geschichten verlieren" wollen. Homers "Ilias" sei immerhin die größte Geschichte aller Zeiten. "Deshalb habe ich sofort "Hier!" gerufen, als ich hörte, dass Warner Brothers den Stoff entwickelt." Petersen macht außerdem auf die Aktualität von Homers "Ilias" aufmerksam, der seinem "Troja"-Film zugrunde liegt. "Agamemnon, der den Feldzug gegen Troja führt, ist eine hoch moderne Figur. Er benutzt die Entführung der Helena, um seine machtpolitischen Interessen durchzusetzen und Troja zu erobern. Er will die Seewege kontrollieren und sich eine strategische Position sichern. Die Welt hat sich nicht geändert." Er selbst habe seinen "Crashkurs in Sachen Politik" Ende der Sechzigerjahre als Student der Berliner Film - und Fernsehakademie gemacht. "Radikal war ich aber nie; ich lief eigentlich nur mit und hatte schon damals nur ein Ziel: Hollywood."
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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