Der Tagesspiegel: Wirtschaftsweiser Bofinger fordert Abkehr vom Sparkurs
Berlin (ots)
Berlin. Der Wirtschafts-Sachverständige Peter Bofinger hat die Bundesregierung aufgefordert, trotz der Löcher im Haushalt jetzt keine zusätzlichen Einsparungen zu beschließen. "Kürzungen passen nicht in die konjunkturelle Landschaft und würden den Aufschwung gefährden", sagte Bofinger dem "Tagesspiegel am Sonntag". Laut Grundgesetz seien Bund und Länder verpflichtet, mit ihrer Haushaltspolitik zur Wahrung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beizutragen. Einen möglichen erneuten Verstoß gegen den EU-Stabilitätspakt "muss die Regierung notfalls in Kauf nehmen, denn die Belebung der Konjunktur ist jetzt wichtiger als der Pakt".
Bofinger, der in Würzburg Volkswirtschaft lehrt, warf der Koalition eine falsche Ausgabenpolitik vor. "Kein Land in Europa hat in den vergangenen zwei Jahren so stark gespart wie wir", sagte er. Der Staat habe mit aller Macht versucht, das konjunkturbedingte Defizit zu drücken. "Bund und Länder befinden sich in einem Sparwettlauf. Wir sparen Jahr für Jahr dem Maastricht-Kriterium hinterher - trotz SARS, Börsencrash und Ölpreisschock." Der Stabilitätspakt sei für Deutschland und Europa "eine Zwangsjacke" und habe eine finanzpolitische Reaktion auf die Konjunkturflaute verhindert. Zudem müsse die Wirtschaft hier zu Lande mit den höchsten Realzinsen aller Industrieländer leben. Wegen dieser schwierigen Rahmenbedingungen laufe die Konjunktur noch immer schlecht. Auch in diesem Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vermutlich nur um rund anderthalb Prozent wachsen. "Das ist der schwächste Aufschwung in der Nachkriegszeit ", befand der Wirtschaftsweise.
Als Ausweg schlägt Bofinger vor, dass sich der Staat in Zukunft an Ausgabenzielen orientieren solle statt an Defizitgrenzen. Entsprechend müsse auch der Stabilitätspakt geändert werden. 2005 erneut die Drei-Prozent-Grenze zu überschreiten, sei zwar "schlecht, aber durchaus mit dem Maastricht-Vertrag in Einklang zu bringen". Die Gesamtverschuldung Deutschlands hält der Wirtschaftsweise nicht für Besorgnis erregend. "Unsere Verbindlichkeiten summieren sich auf 65 Prozent des BIP - das ist bei einem EU-Schnitt von 75 Prozent vertretbar", sagte er. Auf den Finanzmärkten gelte Deutschland immer noch als erstklassiger Schuldner. Auch die Stabilität des Euro sieht Bofinger durch die Schulden nicht gefährdet.
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