Der Tagesspiegel: Interview mit SPD-Chef Franz Müntefering
Berlin (ots)
Berlin. Franz Müntefering, der Vorsitzende der SPD und SPD- Bundestagsfraktion, sieht seine Partei gestärkt aus den Wahlen dieses Herbsts hervorgehen. Die Mutlosigkeit der vorangegangenen Monate sei neuer Zuversicht gewichen, sagte er im Gespräch mit dem "Tagesspiegel am Sonntag". Die Partei sei wieder "gut drauf", und von dem Gefühl beseelt: "Wir sind raus aus dem Tal". Mit Blick auf die jüngsten Wahlen und Meinungsumfragen sieht Müntefering einen Trendwechsel: "Die SPD fängt sich, und die CDU fängt an zu flattern." Seine Partei habe den Abstand zur Union entscheidend verkürzt, so "dass wir bald schon wieder in Schlagdistanz sind. Das merkt die Partei. Und zieht mit." SPD und Grüne hätten jetzt eine realistische Chance, die im kommenden Jahr bevorstehenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu gewinnen.
Anhaltenden Spekulationen über eine Wende hin zur großen Koalition mit der Union erteilte Müntefering eine klare Absage: "Rot-Grün ist die beste Farbenkombination, die wir haben in und für Deutschland. Deshalb wollen wir das über 2006 mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer fortsetzen.
Der SPD-Vorsitzende mahnte den kleineren Koalitionspartner allerdings vor Übermut. Seine Partei werde der dominierende Faktor in der Koalition bleiben. Wörtlich sagte Müntefering: "Rot ist eine stärkere Farbe, die Grundfarbe. Grün ist eine abgeleitete Farbe. Willy Brandt hat einmal gesagt: "Rot ist die Farbe der Liebe, und was gut ist für die Liebe, das ist auch gut für die Politik.""
Eine Diskussion über neue oder höhere Steuern hält Müntefering für überflüssig. Es gebe "keinen Entscheidungsbedarf". Auch Forderungen nach einer Erhöhung der Erbschaftssteuer oder eines Solidaropfers für Reiche begegnet er skeptisch. Schon jetzt gelte: "Sie zahlen mehr. Man muss da ehrlich bleiben." Im übrigen dürften durch höhere oder neue betriebliche Steuern keine Arbeitsplätze gefährdet werden: "Die Probleme der Globalisierung und der älter werdenden Gesellschaft löst man nicht mit Symbolpolitik."
Kritisch äußerte sich Müntefering zu der Anregung von Bundespräsident Köhler, Abschied vom Grundsatz der Gleichheit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu nehmen. Deutschland sei nach dem Grundgesetz ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. "Sozial" könne "ein solcher Bundesstaat aber nur sein, wenn es kein übermäßiges Gefälle zwischen den Regionen und Ländern gibt." Dieses Ziel sei "nicht entbehrlich". In einem sozialen Bundesstaat bleibe "die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unverzichtbar."
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