Der Tagesspiegel: Interview mit Jacques Delors
Berlin (ots)
Der ehemalige Präsident der EU-Kommission, Jacques Delors, unterstützt die Be-strebungen Deutschlands, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu bekommen und lehnt gleichzeitig einen gemeinsamen europäischen Sitz in dem Gremium ab. Er halte es für verständlich, dass "Mächte wie Deutschland und andere große Län-der einen ständigen Sitz anstreben", sagte Delors dem in Berlin erscheinenden Ta-gesspiegel am Sonntag. "Wenn Europa im Sicherheitsrat nur mit einem ständigen Sitz vertreten wäre, würde sein Einfluss geschmälert", warnte der französische Poli-tiker. Statt eines gemeinsamen europäischen Sitzes wäre es "von großem Vorteil für die Durchsetzungskraft der Europäischen Union", wenn nicht nur Frankreich und Großbritannien, sondern auch Deutschland ständig in dem UN-Gremium vertreten wären. Die Kritik von Europaabgeordneten an dem designierten italienischen EU-Kommissar Rocco Buttiglione hält Delors für teilweise überzogen. Der gläubige Ka-tholik Buttiglione hatte Homosexualität als "Sünde" bezeichnet. Dazu meinte Delors: "Wir sollten uns nicht von einem derartigen Weltanschauungs-Streit von den Fragen ablenken lassen, die für Europa wirklich entscheidend sind." Der ehemalige Kommissionschef warb für eine offene Haltung der Europäer gegen-über der Türkei. "Ich will nicht zu denen gehören, die von vornherein dekretieren, dass die Antwort an die Türkei 'Nein' lauten muss", sage er. Ankara sei ein wichtiger Partner, wenn es darum gehe, einen "Zusammenprall der Zivilisationen" abzuwen-den und den Fundamentalismus zu bekämpfen. Deshalb müsse die EU "Wege fin-den, die Türkei nicht zurückzuweisen". Der Einfluss Frankreichs und Deutschlands innerhalb der EU habe in den letzten Jahren abgenommen, beklagte Delors. "Ich wünsche mir, dass diese beiden Länder zu einer positiven und dynamischen Einflussnahme zurückfinden, die eine Vision für die Zukunft Europas beinhaltet", sagte er weiter. Die Dreier-Treffen von Bundes-kanzler Gerhard Schröder, Frankreichs Präsident Jacques Chirac und des briti- schen Regierungschefs Tony Blair hätten "noch nicht zu sehr konkreten Ergebnis-sen geführt", kritisierte Delors.
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