Der Tagesspiegel: Ifo-Chef Sinn fordert Lohnzurückhaltung auf Jahre
Berlin (ots)
Das Münchner Ifo-Institut geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im Schnitt des Jahres bei etwa 4,6 Millionen Menschen liegen wird. Das sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). Sinn forderte die Koalition zu umfangreichen Reformen auf. "Durch Abwarten macht die Regierung alles nur noch schlimmer", befand er. "Regierung und Tarifpartner müssen dafür sorgen, dass es eine stärkere Lohnspreizung gibt und die Löhne nach unten flexibler werden", verlangte der Professor. Wer dann weniger als das Existenzminimum verdiene, müsse vom Staat auf Dauer bezuschusst werden.
Die Beschäftigten in Deutschland müssen sich laut Sinn auf Jahrzehnte der Lohnzurückhaltung einstellen. "Unsere Löhne werden nicht mehr so rasch steigen können. Wenn wir uns dagegen sträuben, entsteht noch mehr Massenarbeitslosigkeit", sagte Sinn. Trotz der in den vergangenen Jahren nur mäßigen Lohnentwicklung werde der Durchschnittsverdienst in Osteuropa 2030 immer noch unter 50 Prozent des westdeutschen Niveaus liegen.
In allen Sozialversicherungen und auf dem auf dem Arbeitsmarkt sei der Reformbedarf immer noch groß, sagte Sinn. Bei den Unternehmensteuern empfahl er ein duales System, "bei dem Einkommen aus Kapital geringer besteuert werden als solche aus Arbeit". Arbeit sei kaum mobil, Kapital dagegen sehr - "deshalb muss man es steuerlich begünstigen, um es im Land zu halten". Hier sollten Regierung und Opposition noch in dieser Wahlperiode etwas unternehmen.
Zudem sprach Sinn davon, dass die Wachstumsprognose des Ifo- Instituts von 1,2 Prozent "kaum zu halten sein" werde. "Ziemlich sicher" sei, dass Deutschland 2005 wieder das geringste Wachstum in West- und Mitteleuropa haben werde. "Westdeutschland ist seit 1995 Schlusslicht, und Ostdeutschland ist das Schlusslicht hinter dem Schlusslicht."
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