Der Tagesspiegel: "Der Tagesspiegel" Berlin meint zur Lohndebatte und den Managergehältern
Berlin (ots)
Jetzt also Lohnerhöhungen für alle. Als sei über das Pfingstwochenende die Erleuchtung über die Sozialdemokratie gekommen, fordern SPD-Politiker angesichts der prima Quartalsbilanzen der deutschen Firmen nun eine satte Lohnrunde. Damit die Binnenkonjunktur in Gang kommt. Auch der Kanzler scheint von dem neuen Geist der Kapitalismuskritik angeweht: Er will Hedge- Fonds stärker kontrollieren, die die Deutschland AG zerfleddern wollen. Justizministerin Brigitte Zypries schließt sich an und wird dem Kabinett an diesem Mittwoch vorschlagen, die Manager per Gesetz zur Offenlegung ihrer Gehälter zu zwingen. Und Verbraucherschutzministerin Renate Künast von den Grünen schließlich ist ebenfalls zu neuen Erkenntnissen gereift:Sie will verhindern, dass Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern und die Aufwendungen dafür auch noch von der Steuer absetzen können. Über all diese Fragen, Ansichten, Einwürfe und Erwartungen ist ein heftiger Streit in der Koalition ausgebrochen, für den es nur ein Etikett gibt: die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai. Denn wer versucht, darin einen tieferen Sinn, eine Idee, gar einen neuen Politikentwurf zu entdecken, dem wird schwindelig. Doch bevor sich die deutsche Arbeiterschaft auf handfeste politische Unterstützung für eine ordentliche Lohnrunde vorbereitet, sollte sie schon noch einmal genauer hingucken. So entstammt ein großer Teil der Unternehmensgewinne des ersten Quartals ausschließlich aus veränderten Bilanzierungs- und Abschreibungsregeln. Darauf die Argumentation für eine üppige Lohnrunde aufzubauen, ist ein bisschen windig. Auch auf die Idee, Arbeitsplatzverlagerern Steuervorteile wegzunehmen, sollte sich lieber niemand verlassen, der jetzt Angst um seine Stelle hat. Denn die Frage, welche Auslandsinvestition unter dem Strich Jobs im Inland kostet und welche Arbeitsplätze sichert, kann die Verbraucherministerin auch nicht beantworten. Hedge-Fonds und Manager zu Transparenz zwingen? Das ist eine gute Idee. Weil diese Ideen aber unabhängig von den Nordrhein- Westfalenwahlen gut sind, gibt es sie auch schon länger. Sie haben auch nichts mit Kapitalismuskritik zu tun, sondern mit dem Grundsatz, der eine Marktwirtschaft erst dauerhaft erfolgreich macht: mit Ehrlichkeit und Transparenz.
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