Der Tagesspiegel: Polen schließt Nachbesserung an EU-Verfassung aus
Präsident Kwasniewski: Ratifizierungsprozess soll weitergehen
Polen plant Referendum am 9. Oktober
Berlin (ots)
Warschau/Berlin. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel zur Verfassungskrise hat Polens Präsident Aleksander Kwasniewski Nachbesserungen an der EU-Verfassung abgelehnt. "Das wäre unfair gegenüber den Ländern, die bereits ratifiziert haben", sagte Kwasniewski dem "Tagesspiegel am Sonntag". Er fordert vom EU-Gipfel ein klares Signal, den Ratifizierungsprozess trotz des Neins in Frankreich und den Niederlanden fortzusetzen. Polen plane sein Verfassungsreferendum am 9. Oktober. Ein Abbruch "wäre ein Fehler, eine vernichtende Niederlage für Europa." Dann würden "viele positive Prozesse gestoppt". Vor allem seien jetzt Franzosen und Niederländer in der Pflicht, Vorschläge zu machen, wie es weitergehen soll. Bisher sei eine klare Mehrheit in Polen für die Verfassung, aber "ohne ihre Antwort werden wir Probleme mit unserem Referendum bekommen".
Kwasniewski räumte ein, das Nein der Franzosen sei zum Teil auch ein verspäteter Protest gegen die Osterweiterung. Doch liege das auch daran, dass die Staatsmännern im Westen zu wenig über die Vorteile der Erweiterung redeten. Die Ängste vor Billigarbeitern aus dem Osten seien "ungerecht". Die französischen Klagen über "die berühmten polnischen Klempner bringen mich zur Weißglut. Wir haben es überprüft: 150 haben in Frankreich gearbeitet, nicht tausende", sagte Kwasniewski dem "Tagesspiegel am Sonntag". Generell sei die Zahl polnischer Beschäftigter im Ausland nach dem EU-Beitritt nur um 100.000 gestiegen. Die beklagte Verlagerung von Arbeitsplätzen in billigere Staaten, übrigens auch von Polen in die Ukraine, sei doch nur ein Beleg, dass "Kopernikus Recht hatte: Die Erde dreht sich."
In deutlichen Worten kritisierte Polens Präsident die Russlandpolitik Kanzler Schröders. Es sei "nicht gut" gewesen, dass Schröder Wladimir Putins Strafaktion gegen die Ukraine und Polen wegen des Machtwechsels in Kiew gebilligt habe, die neue Pipeline nach Westen nicht über diese beiden Länder zu führen, sondern durch die Ostsee. "Hier fehlte die gemeinsame europäische Ostpolitik", die sich bei der Korrektur der Wahlfälschungen in Kiew so bewährt habe. Sie müsse gerade in strategischen Fragen wie der Energieversorgung funktionieren.
Kwasniewski bekräftigte, dass er Vertrauen zu US-Präsident Bush habe, kündigte aber an, dass Polen seine Truppen bis Jahresende aus dem Irak abziehen werde bis auf wenige Ausbilder. "Wir wollen jetzt politische Fortschritte sehen, die Zeit militärischer Lösungen geht zu Ende."
Den vollen Wortlaut des Interviews finden Sie im Anhang. Darin zieht Kwasniewski auch eine Bilanz seiner zehnjährigen Amtszeit, erklärt, warum "ich mir das Bundesverdienstkreuz ehrlich verdient habe" und kündigt eine dreimonatige Auslandsreise nach seinem Abschied aus dem Amt auf Anraten seines Ex-Kollegen Vaclav Havel an, "um mich nicht täglich zu ärgern, was die Nachfolger anstellen".
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