Der Tagesspiegel: Inlandspresse/ "Der Tagesspiegel" aus Berlin meint zu 50 Jahre Anwerbevertrag für Gastarbeiter:
Berlin (ots)
Trotz aller Probleme ist die Geschichte der - lange verdrängten - Einwanderung weniger eine des Scheiterns, als eine der verpassten Chancen. Denn viele Migranten nutzen die weitgehenden Bildungsangebote des Staates auch in der zweiten oder dritten Generation kaum. 20 Prozent der ausländischen Jugendlichen haben gar keinen Schulabschluss, weitere 42 Prozent nur den der Hauptschule. Hier darf die Gesellschaft mehr Einsicht und Anstrengung verlangen. Denn die simple Gleichung Bildungserfolg = Berufschancen gilt für alle gleich - verlangt aber jedem Einzelnen auch Eigenverantwortung ab. Ihrerseits muss auch die Gesellschaft mehr tun, damit in Schulen in Berlin-Neukölln und in Hamburg-Wilhelmsburg Migrantenkinder nicht unter sich bleiben. Hier geht es weniger um aktive Diskriminierung - auch wenn es sie durchaus gibt - als um passive Gleichgültigkeit. Sie ist einer der Gründe, warum Deutschland die Potenziale der Einwanderer nicht stärker entwickelt und genutzt hat. In den USA bemühen sich Unternehmen, Universitäten, Verwaltung und Politik langfristig und strategisch um Minderheiten. Zugleich hat sich die Sicht durchgesetzt, dass eine fremde, von anderen kulturellen Mustern geprägte Perspektive wichtige Impulse geben kann und zu vielfältigeren Ansätzen bei Problemlösungen führt. Beides spielt in Deutschland kaum eine Rolle. Gesellschaft und Unternehmen sind weiter kaum bereit, sich auf die Suche nach den Talenten zu begeben, die jenseits der üblichen Karrierepfade inmitten unserer Gesellschaft schlummern. Bis sich das ändert, wird die Einwanderung in Deutschland bleiben, was sie 50 Jahre lang war: Eine Geschichte der verpassten Gelegenheiten.
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