Der Tagesspiegel: Barmer-Chef: Mehr Steuermittel allein retten Gesundheitssystem nicht
Berlin (ots)
Berlin - Eine Gesundheitsreform, die lediglich die Kosten für die Kinder-Krankenversicherung über Steuern finanziert, würde das Gesundheitssystem "nicht zukunftsfest machen". Das sagte Eckart Fiedler, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, dem "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe). Zusätzlich müsse der Wechsel von der gesetzlichen in die private Versicherung erschwert werden, durch den pro Jahr Einnahmeverluste von einer Milliarde Euro entstünden. "Nahe liegt, die private Versicherung nur für Beamte und Selbstständige offen zu lassen und Arbeitnehmer auf Dauer bei den gesetzlichen Kassen zu versichern", sagte Fiedler. Das wäre eine "korrekte Trennung" und würde die gesetzliche Versicherung vor weiteren Einnahmeverlusten schützen. Darüber hinaus sollten die Gesamteinkünfte der Mitglieder bei der Berechnung der Beiträge berücksichtigt werden. Die ältere, nicht mehr aktive Generation verfüge über Kapital- und Mieteinnahmen - ihre Gesundheitskosten würden aber mit finanziert von den Jungen, die aber meist nur über Arbeitseinkommen verfügten. "Ein Mix aus diesen Schritten würde das System für die nächsten zehn Jahre zukunftsfest machen."
Gespart werden müsse auch bei den Ausgaben. "Dazu müssten die Kassen Vertragsfreiheit bekommen, um mit Ärzten, Pharmaherstellern oder Krankenhäusern über Qualität, Preise und Mengen verhandeln zu können." Gäbe es diese Möglichkeit schon heute, "wären die Arzneimittelkosten in diesem Jahr nicht mit einem Plus von 3,5 Milliarden Euro ausgeufert". Die Barmer, die größte deutsche Kasse, werde die Beiträge bis 2007 stabil halten. Dennoch gebe es Handlungsbedarf. "Die Politik muss sich in den kommenden Monaten auf eine Reform einigen, sonst entsteht 2007 ein großes Finanzloch." Denn dann werde der Bundeszuschuss sinken, und es gebe Belastungen durch die höhere Mehrwertsteuer.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verlangte höhere Hürden für einen Wechsel zu den Privatkassen. "Ich werde einer Gesundheitsreform nur zustimmen, wenn parallel zur Umfinanzierung die Grenze für den Wechsel in die private Versicherung angehoben wird", sagte er. Die Versicherungspflichtgrenze müsse auf das Niveau der Rentenversicherung angehoben werden. "Sonst wird es nicht gelingen, das Abwandern der Gutverdienenden in die Privatversicherung zu stoppen", warnte er. Derzeit blieben diese nur in der gesetzlichen Kasse, wenn sie Kinder hätten. Wenn die Kinderversicherung in Zukunft über Steuern finanziert werde, würden auch diese Gutverdiener zu den privaten Kassen wechseln. "Für deren Kinder muss dann der Steuerzahler aufkommen - das geht nicht an."
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