Der Tagesspiegel: Überfallopfer Sayan wird auf den Internet-Seiten der FDP verhöhnt
Berlin (ots)
Während es nach dem vermutlich fremdenfeindlichen Überfall auf den PDS-Abgeordneten Giyasettin Sayan in Berlin-Lichtenberg noch keine Spur von den Tätern gibt, wird das Opfer in einem offiziellen Internet-Diskussionsforum der Bundes-FDP offen verhöhnt. Unter anderem heißt es dort, wahrscheinlich sei Sayan nur vor sein Auto gestolpert. Weil er sich seine Schwäche nicht eingestehen wolle, "musste er natürlich einen fremdenfeindlichen Überfall erfinden", den er als " Märtyrerbonus" nutzen werde. Ein anderer Forumsteilnehmer schreibt, es könne Deutschland nichts besseres passieren, als dass Links- und Rechtsextremisten sich gegenseitig überfallen. Ein anderer antwortet: "Ja, wäre nicht schade um dieses Gesocks." Weiter ist die Spekulation zu lesen, es könne sich um einen Angriff von Türken auf den Kurden Sayan gehandelt haben. "Aber auch wenn Türken und Kurden sich gegenseitig an die Gurgel gehen, ist es nicht schade drum". Der 56 Jahre alte Politiker der Linkspartei/PDS liegt mit schwerer Gehirnerschütterung und Prellungen im Krankenhaus. Wie berichtet, sollen Unbekannte den Politiker als "Scheißtürken" bezeichnet und niedergeschlagen haben. Sayan hatte den Ermittlern bei der ersten Befragung gesagt, die Täter hätten ihn erkannt. Im FDP-Forum fragt dazu ein Teilnehmer unter dem Pseudonym "arohrsetzer", wie eigentlich Neo-Nazis einen türkischstämmigen Linksparteipolitiker erkennen könnten, der aussehe wie "Walter Kaminsky aus Castrop-Rauxel". In der FDP-Zentrale war am Sonntagabend unter den angegebenen Nummern niemand zu erreichen. Auf eine E-mail des Tagesspiegels an den "Webmaster" des Forums gab es keine Antwort. Das Forum ist offen für jeden, der sich registrieren lässt. Die Teilnehmer schreiben unter Pseudonym. In den vom Bundesgeschäftsführer der FDP veröffentlichten Regeln heißt es unter anderem, Toleranz und Fairness gehörten zu den Grundprinzipien. Beleidigungen, Verleumndungen und Polemiken würden gelöscht. Die Schmähbeiträge gegen Sayan, die in der Rubrik "Aktuelles" veröffentlicht wurden, standen zum Teil seit Samstagabend auf den Internet-Seiten der FDP. Sie waren dort auch am Sonntagabend noch zu lesen. Vereinzelt distanzierten sich anderen Teilnehmer von den verhöhnenden Äußerungen.
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