Der Tagesspiegel: Berliner Hauptbahnhof noch teurer als bisher bekannt
Berlin (ots)
Der Hauptbahnhof war noch teurer als bisher bekannt. Zu den von der Bahn genannten Kosten von rund einer Milliarde Euro für den Bahnhof und den Tunnelbereich bis zur Spree kommen noch die Aufwendungen für die beiden Büro-Bügelbauten, die das Glasdach überspannen. Sie haben nach Angaben aus der Bahn nochmals rund 200 Millionen Euro gekostet. Der Absturz einer Querstrebe an diesen Bügelbauten während des Orkans Kyrill in der Nacht zu Freitag hat zudem einen Millionenschaden an dem Gebäude verursacht. Die Bürogebäude liegen wie ein Bügel über dem Glasdach und haben deshalb diese Bezeichnung erhalten. Der Architekt Meinhard von Gerkan wollte mit den schiefwinklig angeordneten zwei Gebäuderiegeln an der Oberfläche den Verlauf der neuen unterirdischen Nord-Süd-Verbindung symbolisieren. Bei der Präsentation des Modells Mitte der 90er Jahre war daran gedacht worden, die Bauten für Büros und ein Hotel zu nutzen. Trotz intensiver Suche fand die Bahn aber keine Mieter. Bahnchef Hartmut Mehdorn erwog deshalb bereits, auf den Bau der Bügelbauten zu verzichten. Weil sie aber auch das Nord-Süd-Dach über der Eingangshalle des Bahnhofs tragen, wurden sie am Ende doch gebaut. Jetzt will die Bahn dort selbst einziehen - wahrscheinlich auch mit dem Konzernvorstand, der bisher im "Bahntower" im Sony-Center am Potsdamer Platz sitzt - und dort eine sehr hohe Miete zahlt. Um beide Gebäude im Hauptbahnhof selbst nutzen zu können, ließ die Bahn bereits zwei Verbindungsbrücken einbauen. Hätten sich die Bügelbauten vermieten lassen, wäre für die Bahn eventuell ein Hochhaus auf der Nordseite des Bahnhofs gebaut worden. Extra für die Bahn hätte es höher als geplant werden dürfen; statt 100 Meter hätte es 150 Meter in den Himmel geragt. Ob es jetzt trotzdem gebaut wird, ist ungewiss. Der insgesamt 1,2 Milliarden Euro teurere Hauptbahnhof sollte ursprünglich viel billiger werden. Das fast fertig ausgearbeitete Modell der Ingenieurgesellschaft für die Planung der Verkehrsanlagen im Zentralen Bereich (IVZ) fand jedoch keinen Gefallen beim damaligen Bahnchef Heinz Dürr. Als "Tankstellenarchitektur" war der herkömmliche Bahnhofsbau bezeichnet worden. Die Bahn entschied sich dann für den Gerkan-Entwurf. Einen großen Wettbewerb hatte es nicht gegeben. Mit Josef Paul Kleihues hatten die Bahn und der Senat nur einen weiteren Konkurrenten zugelassen. Der Sieger soll nach Tagesspiegel-Informationen von Anfang an festgestanden haben. Als Hartmut Mehdorn an die Spitze der Bahn kam, war der Hauptbahnhof bereits im Bau; Kosten- und Zeitplan längst aus dem Ruder gelaufen. Der damals neue Bahnchef ließ deshalb das Glasdach des Bahnhofs verkürzen und später statt einer aufwändigen Gewölbedecke im Untergeschoss eine seiner Ansicht nach billigere Flachdecke einbauen. Diese muss nach einer erfolgreichen Klage von Gerkans wieder entfernt werden, wenn das Urteil des Landgerichts in letzter Instanz bestätigt werden sollte. Die Bahn hat für den Ausbau der Decke weitere Kosten in Höhe von etwa 40 Millionen Euro veranschlagt. Unabhängig davon wird der Hauptbahnhof für die Bahn immer ein Verlustbringer sein. Die Geschäfte bringen ihr jährlich nur eine Mieter zwischen sechs und acht Millionen Euro; zu wenig, um die Baukosten jemals wieder hereinzuholen. Für Mehdorn ist so längst klar: Noch einmal würde man den Bahnhof so nicht bauen. Doch jetzt muss die Bahn damit leben.
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