Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Afrin drei Jahre nach der Invasion: Zahlreiche Opfer und massive Schäden
Afrin drei Jahre nach der Invasion:
- Auch 2020 wieder zahlreiche Opfer und wirtschaftliche Schäden
- Kurdische Orte und Plätze haben plötzlich türkische oder arabische Namen
- Türkische Flaggen auf Schuluniformen, Syrer brauchen türkische Ausweise
Auch drei Jahre nach Beginn der völkerrechtswidrigen Invasion der nordsyrischen kurdischen Region Afrin durch türkische Truppen am 20. Januar 2018 gibt es zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung. Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und kurdischer Menschenrechtsgruppen in Nordsyrien wurden im vergangenen Jahr mindestens 58 Zivilisten durch türkische Besatzungstruppen und die von ihnen unterstützten syrischen Söldner ermordet. 987 Menschen sollen entführt worden sein, 92 davon waren Frauen. Auch die Natur und die Geschichte Afrins werden immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. „Allein 2020 wurden 50 historische Stätten beschädigt, 72.000 Olivenbäume gefällt, 250 Häuser von islamistischen Milizen beschlagnahmt“, beklagt Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Auch die Raubzüge und Kämpfe zwischen den islamistischen Milizen dauern an. Bei 39 Explosionen in Afrin kamen 170 Menschen zu Schaden, viele von ihnen wurden getötet.“
„Dazu kommen zahllose Angriffe auf die kurdische Kultur und Sprache: Ortschaften tragen plötzlich türkische oder arabische Namen. Der frühere Freiheitsplatz in Afrin heißt jetzt Atatürk-Platz. Der Platz mit dem kurdischen Namen Kawa wurde zu Ehren der völkerrechtswidrigen Offensive in Olivenzweig umbenannt“, berichtet Sido. Die kurdische Sprache werde bedrängt und den Menschen die türkische aufgezwungen. Auf Schuluniformen seien türkische Flaggen angebracht und syrische Staatsangehörige seien gezwungen, türkische Ausweise mit sich zu führen. „Die türkische Besatzung hat Afrin christenfrei gemacht. Bis Januar 2018 lebten dort etwa 1.200 kurdisch-christliche Gläubigen. Der Anteil der kurdischen Bevölkerung, einschließlich der yezidischen, alevitischen und christlichen Teile, sank von 96 auf unter 35 Prozent. Yezidische und alevitische Heiligtümer sowie kurdisch-muslimische Friedhöfe werden zerstört oder geplündert“, so Sido.
Im Rahmen der Operation „Olivenzweig“ seien in der Region Afrin rund 314.400 Olivenbäume vernichtet worden. „Die Oliven- und Olivenölproduktion ist einer der Hauptwirtschaftszweige der Region. Offenbar will das türkische Militär den Menschen die wirtschaftliche Lebensgrundlage entziehen“, erklärt der Nahostexperte.
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen in Nordsyrien seien seit Januar 2018 mindestens 300.000 Angehörige der kurdischen Volksgruppe durch das Besatzungsregime vertrieben worden. Aus der Zivilbevölkerung wurden 674 Menschen ermordet und 7.343 entführt. Unter Foltern sollen 82 Menschen ihr Leben verloren haben. Verletzt wurden rund 696 Zivilpersonen, darunter 303 Kinder und 213 Frauen. Durch Minenexplosionen wurden in Afrin 2.017 Menschen verletzt. In 68 Fällen wird von gezielter Gewalt gegen Frauen berichtet. In islamisch-konservativen Gesellschaften wird der Begriff „Vergewaltigung“ oft vermieden.
Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.
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