Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Jahrestag der Anerkennung des Genozids an der yezidischen Gemeinschaft (19.01.): „Bundesregierung muss Abschiebungen stoppen“
Zwei Jahre nach der Anerkennung des Völkermords an der yezidischen Bevölkerung im Irak 2014 durch den Deutschen Bundestag am 19. Januar 2023 fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die deutsche Bundesregierung auf, Abschiebungen von Yeziden in den Irak, aber auch nach Syrien endgültig zu stoppen.
„Angehörige der yezidischen Gemeinschaft, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, dürfen nicht befürchten müssen, wieder in Gebiete abgeschoben zu werden, in denen ihr Leben in Gefahr ist. Spätestens seit der Machtübernahme durch radikale, sunnitische Islamisten in Syrien ist das yezidische Kernland im Sinjar, im äußersten Nordwesten des Irak, erneut verstärkt bedroht. Auf beiden Seiten der Grenze sind islamistische Milizen auf dem Vormarsch“, berichtete der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido heute in Göttingen. Schätzungen zufolge leben etwa 200.000 Yezidinnen und Yeziden in Deutschland – die größte yezidische Diaspora-Gemeinschaft weltweit.
Einzelne Mitglieder des „Islamischen Staates“ (IS) werden in Deutschland zwar für ihre Beteiligung am Völkermord zur Rechenschaft gezogen, trotzdem stehe eine umfassende Aufarbeitung des Völkermords noch aus, kritisiert der Nahostreferent. „Schon im Text der Anerkennungsresolution wurde vermieden, zu sagen, welche Rollen das NATO-Mitglied Türkei, das islamistische, arabische Emirat Katar und Deutschland bei der Entstehung, Finanzierung und Stärkung des IS gespielt haben. Eine Aufarbeitung ist jedoch dringend notwendig, damit nicht erneut islamistische Strukturen mit deutscher Hilfe finanziert werden – beispielsweise in Syrien. Denn diese Strukturen führen zur Verfolgung von Yeziden, muslimischen Kurden, Christen, Aleviten/Alawiten, Frauen und Menschen, die das islamistische Regime ablehnen“, erklärt der im kurdischen Afrin in Nordsyrien geborene Menschenrechtler.
„Es muss zudem dringend aufgeklärt werden, wie mindestens 40.000 Islamisten aus aller Welt, auch aus Deutschland und anderen EU-Ländern, über die Türkei nach Syrien und in den Irak reisen konnten, um Yeziden zu ermorden und yezidische Frauen zu vergewaltigen“, fordert der Nahostexperte. Aktuell bekämpft die Türkei in Syrien und im Irak die Kräfte, die sich 2014 gegen den IS stellten und den Yeziden zur Seite standen. Die kurdischen YPG-Einheiten und die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) waren maßgeblich an der Rettung tausender Yeziden beteiligt und besiegten den IS schließlich weitgehend. In Syrien werden sie derzeit von der Türkei und ihren islamistischen Söldnern mit Luftwaffen, insbesondere mit Kampfdrohnen, schwerer Artillerie, Raketenwerfern und Panzern angegriffen.
Die Bundesregierung nehme diese völkerrechtswidrigen Angriffe schweigend hin und zeige sogar Verständnis für die „Sicherheitsinteressen“ der Türkei. „Viele yezidische Opfer und Angehörige anderer verfolgter Minderheiten in der Region, die ich regelmäßig besuche oder mit denen ich in ständigem Kontakt stehe, werfen der Türkei, Katar und Deutschland Beihilfe zum Völkermord und Komplizenschaft und Unterstützung bei der Verfolgung von Minderheiten vor“, berichtet Sido.
Am 3. August 2014 griff der „Islamische Staat“ (IS) die yezidische Gemeinschaft in Sinjar an und ermordete mindestens 5.000 Menschen. Rund 7.000 Frauen und Mädchen wurden in die Sklaverei verschleppt. 2.000 von ihnen gelten bis heute als vermisst. Am 19. Januar 2023 hat der Deutsche Bundestag den Völkermord an den Yeziden anerkannt und umfassende Hilfe für die Yeziden sowie eine weitere Aufarbeitung gefordert.
Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.
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