"Die Ideologiepolizei" - ARD-Stasi-Studie erschienen
Saarbrücken (ots)
Unter dem Titel "Die Ideologiepolizei" hat die ARD die von ihr in Auftrag gegebene Studie des Forschungsverbunds SED-Staat der Freien Universität Berlin über die rundfunkbezogenen Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Ost- und Westdeutschland in vollem Umfang veröffentlicht.
Die Studie wurde unter Berücksichtigung des Standes der Rechtssprechung, nicht zuletzt zur Nennung der Namen beteiligter oder betroffener Personen, überarbeitet.
"Die Studie ist die erste umfassende wissenschaftliche Darstellung dieses Teils der deutschen Rundfunkgeschichte nach 1945. Sie ist zugleich eine exemplarische Untersuchung der Medienpolitik undemokratischer Systeme. Schon das Echo auf die im Jahr 2004 veröffentlichte komprimierte Pressefassung lässt vermuten, dass die Studie für gleichgerichtete Untersuchungen in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens Modellcharakter haben wird", sagte der Vorsitzende der Historischen Kommission der ARD, Dietrich Schwarzkopf. Die Historische Kommission der ARD war mit der Steuerung des Projektes betraut.
Anlass des Zustandekommens der Studie war die öffentliche Erörterung von Einzelfällen früherer inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Staatssicherheitsdienstes der DDR, die in Mitgliedsanstalten der ARD tätig gewesen sind oder noch tätig waren. Drei Erkenntnisse waren für die Entscheidung zugunsten einer solchen Studie maßgebend:
1. Der Auftrag der Stasi in Bezug auf den Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), die darauf beruhende Strategie, die Methoden der Umsetzung sowie Erfolg oder Misserfolg müssen anhand aller vorhandenen oder noch zu entdeckenden Quellen von Wissenschaftlern genau untersucht werden. Erst der Gesamtzusammenhang stellt Einzelfälle in einen Sachzusammenhang.
2. Die Studie muss sich gleichermaßen auf die Stasi-Aktivitäten in Ost- und Westdeutschland beziehen. In ihrer Doppelfunktion als Mechanismus der strikten Kontrolle über Hörfunk und Fernsehen der DDR wie in ihrer Spionage- und Unterwanderungstätigkeit in der Bundesrepublik war die Stasi auf ihre Weise "gesamtdeutsch".
3. Zweck der Studie ist nicht, neue Listen von Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi zu liefern. Es geht nicht um einen "Säuberungsprozess", sondern um die Offenlegung des rundfunkbezogenen Teils des Stasi-Systems.
Die Studie weist nach, dass die Stasi Hörfunk und Fernsehen der DDR fest unter Kontrolle hatte. Glaubwürdigkeit bei der DDR-Bevölkerung konnte sie den DDR-Medien nicht verschaffen. Die Information der DDR-Bürger durch Hörfunk und Fernsehen der Bundesrepublik konnte sie nicht verhindern.
Die ARD-Korrespondenten in Ost-Berlin wurden von den DDR-Behörden, vor allem von der Stasi, schikaniert und waren ständigen Versuchen ausgesetzt, ihre Tätigkeit einzuschränken. Trotzdem kam durch die Korrespondenten etwas zustande, was die DDR-Medien nicht bieten konnten: eine innenpolitische Berichterstattung aus dem anderen deutschen Staat.
Bei den ARD-Anstalten verschaffte sich die Stasi einen breiten Überblick über Strukturen und Personen, bis hin zu banalen Details. Wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk in einer Demokratie funktioniert, begriff sie trotzdem nicht.
"Die Stasi konnte einige IM einschleusen, einige beschönigende Berichte über die DDR und einige Falschmeldungen, meist mit Printvorlauf, unterbringen. Sie gewann jedoch nach Erkenntnis dieser Studie keinerlei Einfluss auf die Programmpolitik sowie die Programm- und Personalentscheidungen der Mitgliedsanstalten der ARD", sagte der ARD-Vorsitzende Fritz Raff.
Als Ideologiepolizei war die Stasi in der DDR ein Unterdrückungsmechanismus der Staatspartei SED, konzentriert auf die Verhütung ideologischen Abweichlertums. Bei ihrer Tätigkeit in der Bundesrepublik hinderten sie ideologische Scheuklappen an der Erkenntnis, der wahren Verhältnisse. Ihre westdeutsche Aktivitätsbilanz ergibt ein krasses Missverhältnis von Aufwand und Erfolg.
Als Quellen dienten den Forschern hauptsächlich die Unterlagen der Birthler-Behörde, einschließlich der SIRA- und "Rosenholz"-Dateien, die Akten der Parteien und Massenorganisationen der DDR aus dem Bundesarchiv sowie Befragungen von Korrespondenten und anderen Zeitzeugen.
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