ARD-Vorsitzender Fritz Pleitgen: "Gewaltdarstellungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind kein Selbstzweck"
Köln (ots)
Im Vorfeld des Treffens mit Bundeskanzler Gerhard Schröder hat der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Fritz Pleitgen noch einmal auf den Auftrag und die besondere Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hingewiesen. "Gewalt ist leider ein prägendes Element im menschlichen Miteinander. Die Medien haben sich damit auseinander zu setzen, real und fiktional. Durch gute, durchdachte, differenzierte und kluge Fernsehfilme, Reportagen und Dokumentationen zum Thema Gewalt trägt der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu bei, dass Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung geächtet und kritisiert wird."
"Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wachen die Aufsichtsgremien, die mit Vertretern aller gesellschaftlich relevanten Gruppen besetzt sind, sehr engagiert darüber, dass Gewalt in unseren Programmen weder verherrlicht, noch verharmlost, noch propagiert wird," so der ARD-Vorsitzende. "Die Menschenwürde und der Schutz der Jugend setzen dabei unverrückbare Grenzen." Die Schreckenstat von Erfurt ist sofort in der permanenten internen Diskussion innerhalb der ARD über das Thema Gewalt aufgegriffen worden. "Dies belegt die effektive Selbstkontrolle in den Landesrundfunkanstalten," so Pleitgen.
Pleitgen betonte, dass die Darstellung von Gewalt im Fernsehen kein Selbstzweck sein dürfe, aber nicht selten eine notwendige Gratwanderung sei: "Es gibt Gewaltszenen, die weh tun, die aber eine gesellschaftliche Wirkung erzielen, in dem sie aufrütteln und zur Aktion gegen Gewalt mahnen. Dies kann in Nachrichtenfilmen der Fall sein oder auch in Fernsehspielen wie beispielsweise im "Tatort"."
So sei etwa während des Vietnam-Krieges erst durch die furchtbaren Bilder im Fernsehen die notwendige gesellschaftliche Debatte über die Sinnhaftigkeit des Krieges ausgelöst worden. Auch im ehemaligen Jugoslawien habe erst die umfassende Fernsehberichterstattung über die Gräueltaten zum Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft geführt.
Auch im fiktionalen Bereich folgt die ARD ihrem aufklärerischen Anspruch. In Spiel- und Fernsehfilmen würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderer Weise die Entstehung und die Hintergründe von Gewalt aufzeigen. Gewalt in Spielhandlungen werde dabei niemals als Mittel zur Konfliktlösung dargestellt. So habe beispielsweise der "Tatort" "Manila" eine bundesweite Debatte zum Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder ausgelöst. Auch der "Tatort" "Kinder der Gewalt" habe sehr intensiv deutlich gemacht, welche tragischen Folgen Mobbing und Gewaltausübung unter Schülern und die Überforderung von Lehrern und Polizei haben können.
Mit Sorge betrachtet der ARD-Vorsitzende die Entwicklungen im Bereich der Computerspiele. "Wenn sich allein in diesem Monat tausende Jugendliche in Deutschland zu sogenannten LAN-Partys treffen, um voll vernetzt ihre Fähigkeiten als virtuelle Killer und Scharfschützen unter Beweis zu stellen, dann gibt das Anlass zur Sorge. Hier muss es eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber geben, warum für viele Jugendliche das aktive Ausüben von virtueller Gewalt am Computer zu einer zentralen Freizeitbeschäftigung geworden ist und welche Folgen dies hat. Wenn zugleich im Internet für eine ungebremste Hasskultur jede Menge Stoff geliefert werden kann, dann muss man sich schon seine Gedanken machen, denn die Adressaten sind oftmals Menschen, die sich noch in ihrer charakterlichen Entwicklung befinden."
Fritz Pleitgen warnt allerdings davor, Jugendliche und Jugendkultur angesichts der aktuellen Debatten pauschal zu verurteilen. Im Gegenteil sei es besonders wichtig, verstärkt den Dialog miteinander zu suchen. Allein an den Hotlines des WDR hätten sich nach den Morden in Erfurt viele hundert Jugendliche und Kinder gemeldet. Neben Betroffenheit und Trauer sei immer wieder zur Sprache gekommen, wie wenig Rückhalt die Jugendlichen mit ihren Sorgen bei den Erwachsenen finden.
Rückfragen: ARD-Sprecher Rüdiger Oppers Tel. 0221/220-1867
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