ARD-Pressemitteilung: Einstimmig beschlossen in der Konferenz der Gremienvorsitzenden der ARD am 26. November 2002 in Köln - Position der ARD-Gremienvorsitzenden zur Online-Strategie der ARD.
Köln (ots)
Präambel In der am 27. November 2001 verabschiedeten medienpolitischen Standortbestimmung zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befürworteten die Gremienvorsitzenden die Leitlinie, Online- Aktivitäten konzeptionell und strategisch als neue Varianten des Programmauftrags auszurichten.
Die Gremienvorsitzenden bekräftigen ihre Haltung zu dieser Position. Das Internet hat sich als Massenmedium etabliert. Nach aktuellen Erhebungen nutzen mittlerweile über 28 Millionen Erwachsene in Deutschland (44,1 %) das Internet, und zwar vorrangig zur Information und Kommunikation. Prognostiziert wird, dass bei abgeschwächten Zuwachsraten im Jahr 2005 über die Hälfte der Bevölkerung (55 %) im Netz sind. Im Gegensatz zu früher wird das Internet überwiegend zu Hause genutzt. Die Hälfte der Anwender/innen nutzt es ausschließlich dort. Weitere 34 % greifen sowohl am Arbeitsplatz als auch in der häuslichen Umgebung auf das Internet zu.
Die ARD-Gremienvorsitzenden stellen fest:
1. Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verständnisses von "Rundfunk" und "Grundversorgung" als dynamische Kategorien ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Pflicht, dem Wandel des Informations- und Kommunikationsverhaltens eines relevanten Teils der Gesellschaft bei der Wahrnehmung seines umfassenden Auftrags zu folgen. Wenn ganze Altersgruppen bereits mit dem Massenmedium Internet aufwachsen, sind Hörfunk und Fernsehen gefordert, darauf "medienadäquat" zu reagieren. Dies gilt besonders für die traditionell öffentlich-rechtlichen Themenfelder, die von kommerziellen Sendern nur marginal angesprochen werden. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Schnittmengen von öffentlich- rechtlichen und kommerziellen Sendern im Onlinebereich klein sind.
2. Den Herausforderungen durch veränderte Mediennutzungsgewohnheiten ganzer Altersgruppen haben sich die Landesrundfunkanstalten mit jeweils eigenen und die ARD mit Gemeinschaftsangeboten gestellt. Das Online-Angebot entspricht dem rundfunkstaats-vertraglich auf "Mediendienste mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt" festgelegten Rahmen. Es ist frei von Werbung und Sponsoring.
3. Individuell erschließbare und zugängliche Vernetzungen und Verlinkungen erzeugen den Mehrwert von programmbezogenen Mediendiensten. Es ist Standard, solche Verbindungen aufzuzeigen. Offenbar ist aber nicht zu verhindern, dass die Nutzer/innen des öffentlich-rechtlichen Angebots über wenige Links in kommerzielle oder nicht auftragsgerechte Bereiche gelangen. Die Abgrenzung zum kommerziellen Bereich ist jedoch auch hier im Rahmen des technisch Machbaren zu gewährleisten. In manchen Bereichen, so im Zusammenhang mit Ratgeber-, Service-, Wirtschafts-, Reise- und Koch-Sendungen ist es schwieriger, eine scharfe Grenzlinie zu ziehen, weil das Publikum verbraucherorientierte Informationen erwartet. Die Möglichkeiten, im Interesse der Gesamtakzeptanz des Online-Angebots redaktionell sorgfältig mit Verbindungen zu anderen Informationsquellen umzugehen und den öffentlich-rechtlichen Verantwortungsbereich deutlich zu machen, müssen ausgeschöpft werden.
4. Die ARD und die Landesrundfunkanstalten betätigen sich nicht im Feld des elektronischen Handels. Online-Aktivitäten dürfen nicht über das hinaus gehen, was als Merchandising im klassischen Rundfunk erlaubt ist. Öffentlich-rechtliches Merchandising hat primär eine Programm begleitende und stabilisierende Funktion. Es dient der Publikumsbindung und nicht zielgerichteter Gewinnerwartungen. Angestrebt ist, mit den Produkten eine Identifikation mit programmlichen "Markenzeichen" herzustellen. Im Interesse einer Sicherung des dualen Systems ist die ARD und sind die Landesrundfunkanstalten gut beraten, die Abgrenzung zum elektronischen Handel zu festigen. Im Mittelpunkt des Online- Engagements muss eine zukunftsorientierte, an den Publikumsinteressen ausgerichtete Absicherung des vielfältigen Programmangebots in Hörfunk und Fernsehen stehen.
5. Das Internet ist eine unverzichtbare Abstützung der Marken- Sendungen des ARD-Gemein-schafts-programms und der Landesrundfunkanstalten. Der Medienverbund Hörfunk, Fernsehen, Internet ist ein geeigneter - wenn nicht gar der einzige - Weg, mit einem öffentlich-rechtlichen Programmangebot vor allem die jüngeren, mit dem Internet und anderen schnellen Informations- und Kommunikationsmedien aufwachsenden Generationen zu erreichen. Angesichts der Inhalte-Vielfalt muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch im Netz Orientierung bieten. Daher ist es erforderlich, im begleitenden Online die Bereiche Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung und damit die ganze Bandbreite des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags widerzuspiegeln, und zwar in derselben Qualität, wie sie für das Hörfunk- und Fernsehprogramm gilt. Der Vorzug liegt in der zeitsouveränen Nutzung. Online ermöglicht auch einen wesentlich flexibleren, selbstgesteuerten Zugriff auf das Material.
6. Die profilierende Weiterentwicklung des Online-Angebots, die hohe Informationsorientierung und weitere Schwerpunktsetzungen auf die Bereiche Wissen/Bildung, Kultur, Service sind auftragsgerechte Ansätze, die unabhängig von Marktentwicklungen ein nachhaltiges, weil gebührenfinanziertes, für alle kostenlos zugängliches, wettbewerbsneutrales Online-Angebot legitimieren. Darüber hinaus ist die Entwicklung experimenteller Angebote, auch durch netzspezifische Aufbereitung von Hörfunk- und Fernseh-Inhalten ein guter Weg, differenzierte Publikumsinteressen zu bedienen. Online ermöglicht Interaktivität und bietet damit eine Plattform für den gesellschaftlichen Diskurs.
7. Die föderale Struktur der ARD spiegelt sich auch in ARD-Online wider. Jedoch ist es sowohl aus Kostengründen als auch zum Erreichen von Rationalisierungseffekten notwendig, einen effizienten Ressourceneinsatz, den Abbau von Doppelangeboten zugunsten einer Zusammenführung und Vernetzung von ARD-Gemeinschafts-angeboten mit denen der Landesrundfunkanstalten fortzusetzen. Dabei ist die ARD durch die bisherigen strategischen und konzeptionellen Entscheidungen ein gutes Stück vorangekommen.
8. Auch das Prinzip der Federführungen für Spezialangebote sollte fortgesetzt werden. Es erleichtert die Abstimmung der Inhalte, und es gewährleistet eine wirtschaftliche, Synergien nutzende Bündelung der von den Landesrundfunkanstalten erstellten Angebote. "Planet Wissen" steht als Beispiel für eine gelungene Kooperation, mit der ein neuer Service für die an Bildung und Wissen Interessierten im Medienverbund Fernsehen und Internet bereit gestellt wird. Die praktizierte Zusammenarbeit mit Dritten bei der Erstellung und Aufbereitung von Internetleistungen sollte fortgesetzt werden.
9. Insgesamt ist der bei der KEF angemeldete zusätzliche Finanzbedarf für das Gesamt-Online-Angebot der ARD im Vergleich zu dem umfassenden Auftrag und dem für das Programm eingesetzten Gebührenvolumen als angemessen, aber auch notwendig zu bewerten. Es umfasst weniger als 1 % des gesamten Haushaltsvolumens aller ARD- Anstalten.
10. Die im Internet im Verbund mit Hörfunk und Fernsehen liegenden Potenziale zur Wahrnehmung des Programmauftrags sind systematisch auszuschöpfen und im Rahmen des staatsvertraglich Festgelegten sowie des finanziell Machbaren umzusetzen. Als rundfunknächster Mediendienst sind Online-Angebote als Massenmedium in den Rundfunkstaatsvertrag aufgenommen worden und haben damit eine Zwischenstellung zwischen rundfunknahem Mediendienst und Rundfunk erfahren. Damit deutet sich eine Entwicklung an, die vor Jahrzehnten das Fernsehen erlebte, als es in den Rundfunkbegriff einbezogen wurde.
Köln, 27. November 2002
Rückfragen: ARD-Sprecher Rüdiger Oppers, Tel. 0221/220-1867
ots-Originaltext: ARD Radio & TV
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