Börsen-Zeitung: Die Nagelprobe, Kommentar zur Liquiditätskrise des US-Hypothekenanbieters Countrywide von Bernd Neubacher
Frankfurt (ots)
Der US-Hypothekenbranche steht die Nagelprobe bevor, nachdem bekannt geworden ist, dass Countrywide Financial um ihrer Liquidität willen auf einen Bankkredit über 12 Mrd. Dollar zurückgreifen muss. Denn sollte der nach Volumen größte US-Hypothekenanbieter die Segel streichen, weil ihm der Markt für kurzfristige Schuldverschreibungen versperrt bleibt, brauchen sich Anleger auch um das Überleben vieler kleiner Adressen keine Gedanken mehr zu machen.
Sicher sehen die Ratingagenturen nicht gut aus, wenn sie einer Gesellschaft, für die es längst ums nackte Überleben geht, bis zuletzt Bonitätsnoten im Single-A-Bereich zuerkennen, nur um sie jetzt hastig tief ins B-Segment zu schicken. Es gab aber gute Gründe, dem Institut gute Zahlungsfähigkeit zu unterstellen. Mit bloßen Kreditvertrieben wie der im April havarierten New Century, die jahrelang wie nichts Gutes aus dem Boden schossen, haben die Kalifornier wenig gemein. Sie haben ihr Standbein auch eher im Segment der Schuldner besserer Bonität statt im Subprime-Sektor. Per Ende Juli hatten die Zahlungsrückstände binnen Jahresfrist zwar von 3,61 auf 4,89% des Forderungsvolumens angezogen. Dank der konzerneigenen Bank aber verfügt Countrywide auch über ein Einlagevolumen von gut 60 Mrd. Dollar.
Momentan hilft dies wenig: Für US-Hypothekenbanken ist der kurzfristige Fremdkapitalmarkt fürs Erste geschlossen, Countrywide muss laut Analysten über kurz oder lang 17 Mrd. Dollar an Commercial Papers und unbesicherten Kreditlinien refinanzieren, und wie man seit John Maynard Keynes weiß, können die Finanzmärkte länger irrational sein, als man solvent ist. Länger als ein paar Monate dürfte die Gesellschaft dies nicht aushalten. Verweigern ihr die Anleger auf Dauer Kredit, würde die vom Subprime-Debakel provozierte Kreditkrise ein Opfer mit einer Bilanzsumme von immerhin 200 Mrd. Dollar fordern, und das würde nicht nur am Kapitalmarkt, sondern auch in der Notenbank und bei den Regulierern nachwirken.
Noch ist es nicht so weit, und vielleicht findet sich ja bald ein Marktteilnehmer, der sich zwar nicht für die Schuldverschreibungen, wohl aber für deren Emittenten interessiert. Angesichts eines Aktienkurses, der knapp 30% unter dem Buchwert liegt, wäre dies zweifelsohne ein günstiger Kauf - falls der Kreditmarkt zur Ruhe kommt.
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