Börsen-Zeitung: Notoperation in Leipzig, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Übernahme der Sachsen LB durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)
Frankfurt (ots)
Da waren's nur noch sieben. Wenn die LBBW nach endgültiger Prüfung der Risiken der Sachsen LB nicht doch noch von der Rückgabeklausel Gebrauch machen muss, wird nach Bremen, Mainz und Saarbrücken die vierte der elf deutschen Landesbanken ihre unternehmerische Unabhängigkeit eingebüßt haben (das Szenario, dass die Stuttgarter tatsächlich die Ausstiegsoption ziehen, weil weitere Leichen im Leipziger Keller gefunden werden, möchte man sich lieber gar nicht erst ausmalen). Bei aller vielbeschworenen, von weiten Teilen der Sparkassengruppe und namentlich auch von ihrem Präsidenten Heinrich Haasis vehement geforderten Landesbankenkonsolidierung: So, nämlich wieder einmal als Notoperation, hatten sich die Strategen die Bündelung der Kräfte gewiss nicht vorgestellt.
Dass wirtschaftlich sinnvolle Strukturveränderungen allzu oft nur unter dem Druck einer Krise zustande kommen, ist hinreichend bekannt. Dies ist nicht unbedingt ein Spezifikum öffentlicher Banken. Aber gerade einige der mit Hilfe von Beteiligungen, Mandaten und gesetzgeberischem Einfluss in die Sparkassengruppe hineinregierenden Landespolitiker fallen insoweit durch eine sehr flache Lernkurve auf. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) muss aufpassen, dass er seine Hinhaltetaktik in Sachen WestLB nicht so weit treibt, dass auch in Düsseldorf irgendwann nur noch eine Notoperation hilft. Wie sich die Träger einer Landesbank vergaloppieren können, ist in Sachsen zu besichtigen. Da wurde der Wert der einzigen ostdeutschen Girozentrale, deren Übernahme durch die WestLB im Frühjahr schon so gut wie perfekt schien, noch vor wenigen Monaten auf bis zu 2,5 Mrd. Euro hochgeredet.
Nun muss die LBBW erst einmal 250 Mill. Euro als Soforthilfe in ihre neue Dependance einschießen, um das Schlimmste zu verhüten, und als Kaufpreis werden vorläufig noch 300 Mill. Euro genannt - Wiedervorlage nach genauer Prüfung der Risiken. Obendrein hängt das Land Sachsen - mithin der deutsche Steuerzahler - mit bis zu 17,3 Mrd. Euro im Obligo und würde in Regress genommen, soweit aus dem von der Sparkassengruppe gedeckten Liquiditätsbedarf Verluste werden sollten.
Derweil hat die Düsseldorfer Landes- und Kommunalpolitik offenbar Zeit und Muße genug, mindestens im Wochenrhythmus neue Luftballons steigen zu lassen. Mal soll es eine "europäische Dimension" für die WestLB sein, mal die vertikale Fusion mit der Stadtsparkasse, mal eine Nord- und eine Süd-Länderbank. Aber für die "europäische Dimension" fehlt es schon am Käufer des Landesanteils. Die Stadtsparkasse Düsseldorf,beiallemRespekt,würde zwar das mitbringen, was der WestLB fehlt: Kunden. Aber als Problemlöser für das angeschlagene Wholesale-Haus wäre der lokale Retailer wohl leicht überfordert. Die Modelle für diverse Mega-Landesbanken schließlich, von der "Banane" (so genannt nach der geografischen Ausdehnung) über die "Südschiene" bis zu "Alle unter einem Dach", sind x-mal durchgekaut und haben sich als unrealisierbar erwiesen. Das sollte auch Rüttgers nicht entgangen sein. Doch mit seinem Hin und Her hat er es erst einmal geschafft, den sich anbietenden starken Partner aus dem Südwesten in die Schmollecke zu treiben.
Indes hat die LBBW mit dem Sanierungsfall Sachsen LB ja vorerst eine andere dankbare Aufgabe. Für sie wird es in Leipzig in den nächsten Monaten und Jahren darauf ankommen, aus der Not eine Tugend zu machen. Gelingt es den Stuttgartern, die in den frühen neunziger Jahren im Osten Entwicklungshilfe in Sachen Landesbank geleistet hatten, die zunächst treuhänderisch verwaltete angehende Tochter zu stabilisieren, die aus dem Ruder gelaufenen Risiken in den Griff zu bekommen, ohne selbst in den Sumpf gezogen zu werden, und das Geschäft auf den Mittelstand und gehobene Privatkunden zu fokussieren, dann sollte sich die Neuerwerbung mittelfristig durchaus als bedeutende strategische Stärkung der schon heute führenden Landesbank erweisen. Immerhin ist Sachsen wirtschaftlich eine der wirklich "blühenden Landschaften" im Osten, und osteuropäische Wachstumsregionen liegen unmittelbar vor der Haustür der Sachsen LB.
Aber das Trio LBBW/LRP/Sachsen LB als Nukleus einer "Superlandesbank" oder als Katalysator für weitere Kombinationen, etwa zwischen Bayern und Hessen-Thüringen? Die Entwicklung in Düsseldorf ist angesichts der divergierenden Interessen der WestLB-Eigentümer unberechenbar, und die Verbindung München - Frankfurt hat der hessische Ministerpräsident, Rüttgers' Parteifreund Roland Koch, schon einmal zu verhindern gewusst - ebenso wie andere Modelle, die das Potenzial hatten, den Bankenplatz Deutschland und die Sparkassengruppe zu stärken. Der öffentlich-rechtliche Teil der Branche ist nun einmal traditionell eine Spielwiese der Politik. Das macht es für die Gruppe schwer und mitunter unmöglich, zu tun, was wirtschaftlich sinnvoll wäre. Bedarf es aber immer erst einer Krise, um die Politik zur Vernunft zu bringen, ist das auf Dauer ein allzu hoher Preis.
(Börsen-Zeitung, 28.8.2007)
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