Börsen-Zeitung: Löschers Schmusekurs, Kommentar von Stefan Kroneck zu Peter Löschers erster Jahrespressekonferenz an der Spitze des Siemens-Konzerns
Frankfurt (ots)
Peter Löscher hat als neuer Siemens-Vorstandschef am Kapitalmarkt mit überzeugenden Botschaften die Bewährungsprobe bestanden. Mit einer ganzen Palette von guten Nachrichten versetzte er auf seiner ersten Jahrespressekonferenz an der Spitze von Deutschlands größtem Industriekonzern die Investoren in Verzücken: die Ergebniserwartungen übertroffen, ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm angekündigt, ehrgeizigere Margenziele vergeben und einen vor Optimismus strotzenden Gewinnausblick abgeliefert. Der dadurch ausgelöste Kurssprung erhöhte die Marktkapitalisierung des Unternehmens binnen weniger Minuten um mehr als 7 Mrd. Euro - das entspricht dem Marktwert von Infineon.
Ohne Zweifel mausert sich Löscher zum Liebling der Analysten und Anleger, wenn er seine Ankündigungen punktgenau umsetzt, oder besser: übertrifft. Für die Aktie ergibt sich somit viel Kursfantasie nach oben, zumal der belastende Risikofaktor SEC-Strafe eine überschaubare Dimension annimmt, da die konzerninternen Untersuchungen weitgehend abgeschlossen sind und sich die Wahrscheinlichkeit nochmals böser Überraschungen deutlich reduziert. Die nunmehr insgesamt aufgedeckten 1,3 Mrd. Euro an dubiosen Zahlungen dürften einen ersten Hinweis darauf geben, in welcher Höhe die Geldbuße der US-Börsenaufsicht ausfallen könnte. Das entspricht in etwa jener Summe, die der Markt beim Siemens-Titel längst eingepreist hat.
Löschers neuer Schmusekurs mit dem Kapitalmarkt hat sich für das Unternehmen fürs Erste ausgezahlt. Die Konzernführung hat aus den Fehlern der jüngsten Vergangenheit gelernt. Ende Juli, als Löscher kurz nach seinem Amtsantritt mit mittelmäßigen Quartalszahlen aufwartete und zugleich mit der überteuerten Akquisition des US-Medizintechnikspezialisten Dade Behring (7 Mrd. Dollar) die Börse schockierte, verlor die Gesellschaft binnen zweier Handelstage über 11 Mrd. Euro an Marktwert.
Das war für Löscher offensichtlich Warnung genug, die Erwartungen künftig geschickter zu steuern. Nun gilt es, überzogene Zielsetzungen zu vermeiden, um keine falschen Signale an den Kapitalmarkt zu senden und bei geringsten Abweichungen erneute Kursturbulenzen auszulösen. Denn das ist das Letzte, was Löscher jetzt beim Umbau des komplexen Konzerns braucht.
(Börsen-Zeitung, 9.11.2007)
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