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Börsen-Zeitung: Schwere Koalitionsbalance, Kommentar zum Rücktritt des Vizekanzlers von Angela Wefers

Frankfurt (ots)

Ihren standfesten Vizekanzler Franz Müntefering
von der SPD wird Bundeskanzlerin Angela Merkel als Sparringspartner 
für die Union vermissen. Er war der Garant für Stabilität im 
schwierigen Gefüge der Großen Koalition - auch wenn beide nicht immer
einer Meinung waren und die Differenzen mit Blick auf die anstehenden
Landtagswahlen größer wurden. Die Regierungschefin wusste aber, dass 
Münteferings Wort gilt und seine Zusagen in Koalitions- und 
Kabinettsrunden nicht seine Durchsetzungskraft in Fraktion und Partei
übersteigen würden.
Auch wenn wenige Politiker aus privaten Gründen politische Macht 
aufgeben würden, bei Müntefering überzeugt dieser Schritt. Die 
Differenzen zwischen CDU/CSU und SPD z.B. in der Arbeitsmarktpolitik 
sind zwar eindeutig vorhanden, dies wäre aber für Müntefering kein 
Grund gewesen, das Handtuch zu werfen. So kampfeslustig wie er sich 
nach seiner Rücktrittsankündigung noch präsentierte, strafte er alle 
Andersdenkenden Lügen.
Mit Müntefering tritt ein Mitstreiter der alten Garde aus der Ära 
Gerhard Schröder ab. Er hat an der Agenda 2010 mitgewirkt und 
versucht, der SPD als Partei eine neue, moderne Ausrichtung zu geben.
Die Wahl der Nachfolger durch SPD-Parteichef Kurt Beck verspricht 
jedoch, dass die SPD in der Regierung kaum einen plötzlichen 
Kurswechsel vollziehen wird.
Gleich zwei Ämter waren zu vergeben, das des Vizekanzlers und das 
des Bundesarbeits- und -sozialministers. Der designierte Vizekanzler,
Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hat als Kanzleramtsminister 
bei Schröder die Agenda 2010 entworfen. Sie trägt seine Handschrift. 
Steinmeier ist ein brillanter Kopf, der weit über den Tellerrand 
seines aktuellen Amtes hinausblickt und dabei wenig Aufhebens um 
seine Person macht.
Olaf Scholz, der neue Arbeitsminister und derzeitige 
Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, wird in 
seiner neuen Rolle als Minister nicht derart polarisieren müssen, wie
es in seinem früheren Amt als Generalsekretär der Partei geboten war.
Er ist intelligent und arbeitet effizient. Parteichef Beck dagegen 
hält sich aus der Regierung heraus und lässt sich nicht in die 
Kabinettsdisziplin einbinden. Von außen kann er die Union besser 
unter Druck setzen. Das Kräfteparallelogramm in der Koalition muss 
neu austariert werden. Leichter wird das für Merkel nicht.

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