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Börsen-Zeitung: Microsofts großer Wurf, Kommentar von Bernd Neubacher zum milliardenschweren Übernahmeanbot von Microsoft für Yahoo

Frankfurt (ots)

Das wird eine kurze Sanierung für Jerry Yang.
Gut sieben Monate nach Amtsantritt ist dem Yahoo-Chef ein 
Übernahmeangebot von Microsoft ins Haus geflattert, das er eigentlich
akzeptieren sollte, will er seine leidgeprüften Aktionäre nicht 
vollends auf die Barrikaden treiben.
Gerade nach seinen windelweichen Ankündigungen in der 
Telefonkonferenz zum jüngsten Quartalsergebnis werden die 
Anteilseigner kaum warten wollen, bis der Yahoo-Chef allein Kraft 
seiner Management-Expertise den Kurs um 62% auf 31 Dollar je Aktie 
hat steigen lassen. Für die Yahoo-Aktionäre ist der von Microsoft 
gebotene Wert also ein attraktives Angebot.
Dies ist ein stolzer Preis: Mit 31 Dollar je Aktie offeriert 
Microsoft zwar nicht mehr, als Yahoo-Aktien noch im November gekostet
hatten. Das vor dem Wochenende unterbreitete Angebot bewertet das 
Unternehmen allerdings mit dem 66-fachen des 2008 erwarteten Gewinns 
je Aktie - Google gesteht der Markt gerade einmal ein Multiple von 28
zu.
Werden Schulden, Barmittel und außerbilanzielle Werte wie die 
Beteiligungen an Yahoo Japan und an Alibaba mit einbezogen, schrumpft
das Vielfache auf das etwa 16- bis 17-fache des im laufenden Jahr 
erwarteten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; dies ist 
ungefähr das Niveau des übermächtigen Konkurrenten.
Die Bewertung durch das Angebot von Microsoft ist das einzige, 
womit Yahoo es mit Google derzeit aufnehmen kann. Mit "Panama", ihrem
im vergangenen Februar eingeführten System zur Anzeige von 
Werbe-Links, hat die Gesellschaft bisher kaum einen Hering vom Teller
gezogen. Ob E-Mail, Musik, Finanzen, Nachrichten, Film oder Reise - 
Sport ausgenommen -, der Suchmaschinenanbieter verliert derzeit in 
den wertvollsten Bereichen des Internet Nutzer und Marktanteile.
Die Stellung Microsofts im Suchgeschäft ist unterdessen kaum der 
Rede wert. Wenn das Unternehmen aber nicht einmal das eigene Geschäft
nach vorne bringen kann, warum sollten sie es dann schaffen, darüber 
hinaus noch einen schlingernden Wettbewerber zu stabilisieren? Kein 
Zweifel: Hier sollen zwei Fußlahme gegen einen Leichtathleten 
antreten.
Der große Wurf, zu dem Microsoft im Online-Geschäft nun ausgeholt 
hat, könnte sich denn auch rasch als Schlag ins Wasser herausstellen.
Im Online-Such- und Werbegeschäft zählten vor allem Größeneffekte, 
hieß es am Freitag in der Telefonkonferenz des Unternehmens, das mit 
dem gebotenen Preis einen Betrag aufs Spiel setzt, der immerhin dem 
dreifachen Jahresgewinn entspricht. Eben die viel beschworenen 
Größeneffekte aber arbeiten gegen die Unternehmen. Warum sollten die 
Nutzer in einem Markt, in dem die Anteile längst verteilt sind, 
entgegen ihrer Gewohnheit künftig Microsoft/Yahoo bevorzugen? Damit 
Werber die Seiten wechseln, müsste Microsoft ihnen beweisen, dass sie
ihre Reklame effizienter platziert. Dies wird jedoch schwer fallen, 
so lange der Internet-Suchverkehr an beiden, an Microsoft und Yahoo, 
weitgehend vorbei fließt.
Zwei schwache ergeben kein starkes Unternehmen, es sei denn, 
Microsoft schaffte es, aus dem Online-Geschäft beider etwas zu 
formen, das mehr ist als die Summe seiner Teile.
Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Microsoft wäre wohl das 
erste Unternehmen, dem es gelänge, Software- und Online-Aktivitäten 
reibungslos zu integrieren. Unterschiede im Selbstverständnis beider 
Branchen sind ja vielleicht auch der Grund, warum die Internet-Sparte
der Gesellschaft als einzige von fünf Konzerneinheiten rote Zahlen 
schreibt: trotz riesigen Barbestands, trotz eines bekannten Namens 
und trotz größter Anstrenungen des Software-Konzerns.
Es kommt wohl nicht von ungefähr, wenn im Markt erzählt worden 
ist, Google selbst habe im vergangenen Jahr Gerüchte über eine 
bevorstehende Offerte Microsofts für Yahoo gestreut, um talentierte 
Jobanwärter davon abzuhalten, beim Konkurrenten anzuheuern.
Microsoft, nicht eben als Ausbund einer schlanken Organisation 
bekannt, muss nun nicht nur zusehen, wichtige Leute zu halten, 
sondern auch zahlreiche Mitarbeiter zu feuern, sollen die 
angestrebten Einsparungen von mindestens 1 Mrd. Dollar jährlich 
Realität werden. Die Suchmaschinen beider Unternehmen sind zu 
verknüpfen, zudem müssen Perspektiven her unter anderem für die 
Foto-Site Flickr sowie für den Open-Source-Programmanbieter Zimbra, 
die sich Microsoft mit dem Suchmaschinenanbieter einhandelt.
Die Zusammenführung wird Kräfte binden und dem Marktführer Google 
Gelegenheit bieten, seine Stellung zu festigen - in einem Markt, den 
eine schwache Konjunktur zusehends abbremst. Die Chancen stehen daher
nicht schlecht, dass der Platzhirsch als der große Gewinner aus dem 
Zusammenschluss seiner Konkurrenten hervorgehen wird. Microsoft geht 
mit der Offerte Risiken in bisher beispiellosem Ausmaß ein. Für 
Yahoo-Chef Jerry Yang ist es dagegen ein Angebot, das er nicht 
ablehnen kann.
(Börsen-Zeitung, 2.2.2008)

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