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Börsen-Zeitung: Wenn die Angst Regie führt, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Zwei Worte reichen aus, um das aktuelle
Geschehen an den Finanzmärkten zu beschreiben: schiere Angst. Niemand
kann den Marktteilnehmern derzeit ernsthaft einen Vorwurf daraus 
machen, dass sie die stark gedrückten Kurse am Aktienmarkt nicht zum 
Einstieg nutzen, obwohl der Dax beinahe wieder die Tiefen vom Januar 
erreicht hat.
Denn die Flut negativer Nachrichten über die Finanzkrise, die 
längst über den engeren Subprime-Bereich hinausgewachsen ist, reißt 
einfach nicht ab. Im Gegenteil: Die Nachrichten werden immer 
beunruhigender. Kaum hatten die Anleger die existenzgefährdende 
Situation der Carlyle Capital Corp. verarbeitet und die Nerven hatten
sich auch wieder ein wenig beruhigt, wurde ihnen zum Wochenschluss 
klargemacht, dass sich das System bereits am Rande der Katastrophe 
bewegt. Eine Wall-Street-Größe wie Bear Stearns benötigt bereits 
finanzielle Hilfe seitens JPMorgan und der New Yorker Fed. Kein 
Wunder, dass für eine Feinunze Gold jetzt mehr als 1000 Dollar zu 
zahlen sind.
Doch nicht nur die Frage, welche Leichen die Finanzindustrie noch 
im Keller hat, lähmt derzeit die Marktakteure. Wie schlimm werden die
realwirtschaftlichen Auswirkungen einer Finanzkrise sein, von der 
gesagt worden ist, dass sie die Schlimmste in der amerikanischen 
Wirtschaftsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg ist? Dass die USA 
bereits in der Rezession sind, bezweifelt kaum noch jemand. Die lange
Kette enttäuschender Konjunkturdaten, darunter zuletzt die 
Einzelhandelsumsatzzahlen, spricht eine deutliche Sprache.
Dem langjährigen Bullenmarkt droht das Fundament wegzubrechen. 
Denn er speiste sich aus einem spektakulären Anstieg der 
Unternehmensgewinne. In einem bereits fortgeschrittenen Stadium des 
Zyklus stoßen diese jedoch seit Sommer 2007 auf durch die 
Subprime-Krise deutlich verstärkten Gegenwind. Sich verabschieden 
müssen die Akteure wohl auch von dem Gedanken, dass es anderen 
Regionen und insbesondere Euroland gelingen kann, sich von der 
US-Schwäche abzukoppeln. Dagegen spricht allein schon der Sturz des 
Dollar, der die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums erheblich 
beeinträchtigt. Dabei ist die Währung nur einer von mehreren 
Faktoren, die die Profitabilität belasten. Hinzu kommt die Hausse der
Rohstoffe, insbesondere des Ölpreises, auch wenn der feste Euro die 
Folgen hier ein wenig abmildert.
Außerdem gibt es eine direkte Auswirkung der Kreditkrise. Es wird 
für die Unternehmen immer schwieriger, sich Kapital zu beschaffen, 
weil Banken und Investoren immer restriktiver werden. Vor allem aber 
sind die Risikoaufschläge geradezu explodiert, was die Kapitalkosten 
erheblich in die Höhe treibt. Ein Beispiel: Verglichen mit der Phase 
extrem niedriger Spreads, die noch bis vor weniger als einem Jahr 
bestand, muss eine Triple-B-Adresse für eine Anleihe im Umfang von 
100 Mill. Euro jetzt eine jährliche Zinslast zwischen 1,7 und 2 Mill.
Euro zusätzlich schultern.
Dem oft bemühten Rothschild-Satz: "Kaufen, wenn die Kanonen 
donnern" folgend, könnten die Mutigen nun versucht sein, den Einstieg
in Dividendentitel zu wagen. Schließlich erreichen Aktienkurse dann 
ihr Tief, wenn die Nachrichtenlage am schwärzesten erscheint. Auch 
ist die Bewertung beispielsweise deutscher Aktien mit einem 
Kurs-Gewinn-Verhältnis des Dax auf Basis der Schätzungen für nächstes
Jahr von 10 bereits so niedrig, dass auf dem aktuellen Kursniveau 
selbst bei substanziellen Reduzierungen der Ergebnisprognosen noch 
eine günstige bis moderate Bewertung vorliegen würde. Zahlreiche 
Einzeltitel sind bereits derart heruntergeprügelt worden, dass es dem
passionierten Schnäppchenjäger in den Fingern jucken muss.
Engagements am Aktienmarkt sollten jedoch allenfalls in begrenztem
Umfang und auch nur sehr selektiv eingegangen werden. Denn ein Markt,
in dem die Angst Regie führt, ist auch auf bereits sehr stark 
gedrücktem Niveau noch für kräftige weitere Kursrückschläge gut. 
Außerdem muss der Bear-Stearns-Schock noch lange nicht das letzte 
Wort gewesen sein.
(Börsen-Zeitung, 15.3.2008)

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