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Börsen-Zeitung: Kein Sommermärchen, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Zumindest in sportlicher Hinsicht haben die
deutschen Anleger Anlass gehabt, sich zufrieden ins Wochenende zu 
verabschieden. Denn der erhoffte, allerdings nur von den wenigsten 
für möglich gehaltene steile Anstieg der Formkurve der deutschen 
Nationalmannschaft hat die Zitterpartie gegen Portugal zu einem 
erfreulichen Abschluss gebracht. Auf ein hoffentlich erfreuliches 
Ende der Zitterpartie am Aktienmarkt und einen steilen Anstieg auch 
der Dax-Kurve werden sie jedoch noch eine Weile warten müssen.
Anders als für die Fußball-Begeisterten wird ein Sommermärchen à 
la 2006 für die Aktionäre wohl ein Traum bleiben. Dafür bläst dem 
Aktienmarkt aus zu vielen Richtungen der Wind entgegen. So reißt vor 
allem die Serie beunruhigender Nachrichten über die Kreditkrise nicht
ab und wird auch in der absehbaren Zukunft mindestens das 
Aufwärtspotenzial begrenzen, wenn nicht sogar weitere Rückschläge 
auslösen. Gerade die Finanztitel sind in den zurückliegenden Tagen 
wieder arg zerzaust worden, vor allem weil die britische 
Hypothekenbank HBOS und die Citigroup erheblichen zusätzlichen 
Wertberichtigungsbedarf ankündigten.
Vor diesem Hintergrund werden die Marktakteure weiterhin die 
Entwicklung an den Immobilienmärkten Großbritanniens und der USA 
beobachten. In der kommenden Woche stehen dazu drei Zahlen aus den 
Vereinigten Staaten an. So wird am Dienstag der 
Case-Shiller-Hauspreisindex vom April veröffentlicht. Laut Bloomberg 
rechnet der Markt mit einem gegenüber dem Vorjahr um 16% niedrigeren 
Niveau nach einem im April ausgewiesenen Rückgang um 14,4%. Am Tag 
darauf folgen die Neuverkäufe vom Mai, am Donnerstag die Verkäufe 
bestehender Eigenheime.
Die Sorgen über die Auswirkungen der Immobilien- und Kreditkrise 
werden gerade in den nächsten Wochen für ein eher zurückhaltendes 
Disponieren der Investoren sorgen. Denn im Juli beginnt die 
Berichtssaison für das zweite Quartal, in dem sich die Belastungen 
aus der Krise auch außerhalb des Finanzsektors niederschlagen 
dürften. Die Unternehmen müssen mit den konjunkturdämpfenden Effekten
der Krise kämpfen. Hinzu kommen die deutlich gestiegenen 
Kreditkosten. Ebenfalls alles andere als förderlich ist der extreme 
Anstieg des Ölpreises, der sich jetzt der Schwelle von 140 Dollar 
angenähert hat. Allerdings gab es zuletzt ein wenig Anlass, auf eine 
gewisse Entspannung zu hoffen. Denn es zeigt sich, dass die kräftigen
Tagesveränderungen in den Terminmarktpreisen nicht nur nach oben 
zeigen müssen, sondern durchaus auch abwärts gerichtet sein können. 
Um bis zu 5 Dollar hat die Sorte WTI allein am Donnerstag verloren. 
Ausgelöst wurde der Einbruch von der Nachricht, dass die chinesische 
Regierung eine Erhöhung der Preise für Benzin und Diesel um 18% 
angeordnet hat. Das löste umgehend Vermutungen aus, dass die 
chinesische Nachfrage nach Treibstoffen und Öl deutlich nachgeben 
könnte.
Damit würde die wichtigste Antriebskraft für den Ölpreisanstieg 
erheblich abgeschwächt, was zu der von einigen Experten 
prognostizierten deutlichen Korrektur führen könnte. Aus Sicht der 
Aktienmärkte ist dies allerdings nur die eine Seite der Medaille. 
Denn die Nachricht ist letztlich nur ein weiterer Beleg dafür, dass 
der Boom der Emerging Markets Risse bekommen hat. Trotz des 
Eigenlebens, das die Schwellenländer zugegebenermaßen zunehmend 
entwickeln, spüren sie die Abschwächung in den Industrienationen. Vor
allem aber haben gerade die Emerging Markets mit massiven 
Preisanstiegeninsbesondere auch bei den Nahrungsmitteln zu kämpfen. 
Vor diesem Hintergrund wurden und werden in einigen Ländern die 
Leitzinsen erhöht. Da zudem die Währungen aufwerten,leidetaußerdem 
noch die Wettbewerbsfähigkeit. Kurzum: Auch in den Schwellenländern 
droht eine deutlichere Wachstumsverlangsamung, wenn auch von einem 
hohen Ausgangsniveau.
Mit dem Emerging-Markets-Boom würde jedoch ein stützender Faktor 
für die Unternehmensgewinne und die Aktienmärkte der Industrieländer 
an Kraft verlieren. Auch aus diesem Grund erscheint für 
Dividendentitel derzeit ein Sommermärchen 2008 eher unwahrscheinlich.
(Börsen-Zeitung, 21.6.2008)

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