Börsen-Zeitung: Ein bitterer Vorgeschmack, Kommentar zu den Finanzmärkten von Frank Bremser
Frankfurt (ots)
Wohin der Anleger an den Finanzmärkten auch schaut: ein Bild des Jammers. Von Aktien, besser noch Finanztiteln, heißt es derzeit am besten die Finger lassen. Seit Jahresbeginn gab es heftige Verluste, am Freitag markierte der deutsche Leitindex Dax dann den tiefsten Stand seit Oktober 2006. Aussicht auf Besserung? Fehlanzeige. Und von Analysten, die noch vor wenigen Monaten eine Erholung der Aktienmärkte spätestens zur Jahresmitte prognostiziert haben, ist nichts mehr zu hören.
Es sind vor allem die immer neuen Schreckensmeldungen infolge der Subprime-Krise, die für Verkaufsdruck sorgen. Denn inzwischen haben auch die größten Optimisten erkannt, dass es sich nicht nur um eine kleine begrenzte Krise im Hypothekenbereich handelt. Betroffen sind nicht nur die Banken, betroffen sind auch Konsumenten und Unternehmen weltweit. Auch die Stars der vergangenen Jahre, die Emerging Markets, hat die Krise ergriffen. War lange Zeit von einer Abkopplung dieser Märkte die Rede, hat sich diese als Trugschluss erwiesen. Denn wenn ein Investor sein Geld aus Aktien abzieht, tut er dies, egal ob die Titel in London oder in Buenos Aires gehandelt werden. Wohl dem, der seit Jahresbeginn auf fallende Kurse gesetzt hat. Und auch am Bondmarkt hat sich die Stimmung deutlich eingetrübt. Vor allem die deutlich angestiegenen Inflationsraten haben die Renditen zurückfallen lassen.
Wenig Freude
Eine Verbesserung der Situation in den kommenden Wochen und Monaten ist nicht in Sicht. Zum einen stehen die schon traditionell schwachen Sommermonate auf dem Programm. Und so abgegriffen das Aktienmarkt-Bonmot "Sell in May" auch ist - bisher hat es sich auch im Jahr 2008 mehr als bestätigt. Außerdem wird nun die Quartalssaison die Investoren beschäftigen. Und was dort zu erwarten ist, darauf haben Alcoa oder Wachovia in der zurückliegenden Woche einen bitteren Vorgeschmack geliefert. So waren die Alcoa-Zahlen zwar "besser als erwartet" - nichtsdestotrotz waren sie schlecht. Und Wachovia überraschte mit einem Quartalsverlust. Da macht das Warten auf die Ergebnisse von AMD, JPMorgan oder Nokia in der neuen Handelswoche wenig Freude. Und auch von Konjunkturseite stehen die Zeichen eher auf bedrückte Stimmung. Denn nur die wenigsten rechnen mit erbaulichen Nachrichten, wenn die amerikanische Notenbank ihr Protokoll der jüngsten Zinssitzung oder ihre Projektionen zu Wachstum, Inflation und Arbeitslosenquote veröffentlicht.
Nur ein Segment scheint für Anleger, die auf Preissteigerungen setzen, eine Insel der Glückseligen zu sein: die Rohstoffe. Allein seit Jahresbeginn gab es hier durchweg zweistellige, teils dreistellige Zuwachsraten. Am Freitag markierte etwa der Ölpreis erneut ein Rekordhoch. Mittlerweile müssen manche Analysten eingestehen, dass ihre Preismodelle dem Anstieg nicht mehr gewachsen sind. Und die Hausse scheint unbeeindruckt von Subprime-Krise, Wertverfall des Dollar und Inflationssorgen weiterzugehen. Als Argument wird von allen Seiten die solide Fundamentalsituation angeführt - Stichwort: China-Faktor.
Warnung angebracht
Doch auch auf der Insel der Glückseligen ist eine Stimme der Warnung angebracht. Denn ein Großteil der Gelder, die zuletzt in den Rohstoffsektor geflossen sind, kommt von enttäuschten Aktienanlegern, die sich in die vermeintlich sicheren Renditen von Gold und Kupfer retten wollen. Doch so schnell wie diese in den Markt gegangen sind, so schnell können sie ihn auch wieder verlassen. Und eine deutliche Korrektur ist zumindest am Ölmarkt mehr als fällig.
Ein Auslöser dafür könnte schon in der neuen Handelswoche anstehen: Eben mit genau den Unternehmens- und Konjunkturdaten, die auch die Aktienmärkte weiter belasten sollten. Denn sollte sich das düstere Bild der Weltwirtschaft verfestigen, dann könnten Investoren erkennen, dass eine Abkopplung der Rohstoffmärkte vom Rest der Märkte nicht vollständig gelingen kann. So wichtig China etwa für die weltweite Ölnachfrage ist: Das Land allein kann einen Rückgang des weltweiten Wirtschaftswachstums nicht auffangen, vor allem dann, wenn es selbst unter einer Wirtschaftsabschwächung zu leiden hat. Auch die Insel der Glückseligen könnte also bald von der Subprime-Krise erobert werden.
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