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Börsen-Zeitung: Im Griff der Finanzkrise Kolumne "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.

Frankfurt (ots)

Den Sommer dürften sich die Anleger am
Aktienmarkt ein wenig anders vorgestellt haben. Durch die Entwicklung
der letzten zwei Wochen müssen sie sich nun wohl damit abfinden, dass
der laufende Turnus das erste Jahr seit 2003 wird, in dem die 
Schlussabrechnung im Dax unter roten Vorzeichen stehen wird. Bis zum 
Ultimo bleiben nur noch etwas mehr als vier Monate Zeit, und es 
scheint im aktuellen Umfeld doch mehr als zweifelhaft, dass der Dax 
bis dahin wieder die Schwelle von 8000 erreichen kann.
Nach dem zweimal gescheiterten Versuch, nachhaltig über 6600 zu 
steigen, hat das deutsche Blue-Chip-Barometer die zweite Woche in 
Folge nachgegeben und bei 6190 beinahe schon wieder Tuchfühlung mit 
dem Jahrestief von knapp 6000 aufgenommen, das Mitte Juli erreicht 
worden war. Es ist vor allem die seit über einem Jahr die Gemüter 
plagende Finanzkrise, die den Markt wieder im Griff hat. Derzeit 
schrecken Zweifel an der Überlebensfähigkeit der 
US-Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae sowie des 
Investmenthauses Lehman Brothers die Investoren ab.
Hinzu kommt, dass die von den USA ausgehende Abschwächung der 
Weltwirtschaft nun verstärkt in anderen Regionen und damit auch in 
Euroland zu spüren ist und sich in den Da tenveröffentlichungen 
entsprechend negativ niederschlägt. Aber auch die Quartalsbericht 
erstattung war zuletzt betroffen. So legten die Baustoffhersteller 
Holcim und Wienerberger enttäuschende Resultate vor und verwiesen 
dabei insbesondere auf die durch die Immobilienkrise stark 
eingebrochene Bauaktivität in Großbritannien und den USA. Ein Trost 
in dem Umfeld, in dem außerdem noch ein wieder anziehender Ölpreis 
für Verunsicherung sorgte, war lediglich, dass die Abwärtsbewegung 
der Kurse aufgrund der Urlaubssaison von sehr niedrigen Umsätzen 
begleitet wurde.
Auch in den kommenden Wochen ist ein Durchbruch des Aktienmarktes 
nach oben wenig wahrscheinlich. Vielmehr ist mit anhaltend starken 
Schwankungen zu rechnen, bei denen neue Schreckensmeldungen aus dem 
Finanzsektor für Schwächeanfälle sorgen könnten. Vor diesem 
Hintergrund erscheinen auch neue Jahrestiefststände unterhalb von 
6000 möglich. Die gleiche Wirkung könnten negative Nachrichten von 
der Konjunkturfront entfalten.
Es gibt jedoch auch er mutigende Signale. So hat sich in den letzten 
Wochen die M&A-Aktivität, bis zum Jahr 2007 eine der 
Hauptantriebskräfte des Bullenmarktes, wieder ein wenig belebt. Vor 
allem aber hat sich mit den Rohstoffpreisen eines der zentralen 
Risiken dieses Jahres entscheidend abgeschwächt. Insbesondere der 
starke Rückgang der Rohölnotierungen ist eine Entlastung. Das 
betrifft nicht nur die direkten Folgen für den Konsum und die 
Unternehmenserträge. Auch die Zentralbanken dürften die Entwicklung 
mit Wohlwollen verfolgen, nachdem sie weltweit von den kräftig 
anziehenden Inflationsraten in Alarmstimmung versetzt worden sind. 
Das Risiko steigender Leitzinsen hat sich vermindert. Hinzu kommt, 
dass, quasi als Ersatz für eine Leitzinssenkung, der Euro deutlich 
nachgegeben hat. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit Eurolands.
Außerdem gibt die Bewertung keinen Anlass zur Beunruhigung. Der 
Dax weist auf Basis der Gewinnprognosen für 2008 ein 
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 12 auf. Für den kommenden 
Turnus liegt das KGV bei knapp 10. Das ist bei einem Durchschnitt der
letzten vier Jahre von rund 14 nicht ungünstig. In die Schätzungen 
für dieses Jahr ist bereits der heftige Ertragsrückgang des 
Finanzsektors eingegangen. Erwartet wird ein Minus im aggregierten 
Dax-Gewinn je Aktie von rund 7%. Allerdings müssen die Schätzungen 
für das nächste Jahr noch deutlich gesenkt werden. Derzeit wird ein 
Gewinnwachstum von über 15% prognostiziert, was auf Revisionsbedarf 
hindeutet. Die niedrigen KGVs sagen somit relativ wenig über die 
Ergebnisse aus, die tatsächlich im nächsten Jahr zustande kommen 
werden. Sie sagen aber etwas über die Aktienkurse aus: Auf dem 
aktuellen Niveau hat der Markt die Finanzkrise und die 
verschlechterte Ergebnisentwicklung bereits zu einem großen Teil 
eingepreist.
(Börsen-Zeitung, 23.8.2008)

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