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Börsen-Zeitung: Ritt über den Bodensee, Kommentar zur geplanten Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots)

Martin Blessing wird wohl noch ein wenig
Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis die Investoren bereit sind, 
die "ökonomische Logik" dieser Übernahme zu honorieren. Mit einem 
Kursrutsch von mehr als 10% reagierte die Aktie der Commerzbank zum 
Wochenbeginn auf die Konditionen, zu denen die Allianz ihr Sorgenkind
Dresdner Bank an die Gelben verkauft - eine Klatsche. Zu teuer, diese
Akquisition? Ja und nein. In Zeiten einer schwelenden Finanzkrise 
eine Bank zum Buchwert plus Besserungsschein von fast 1 Mrd. Euro 
loszuwerden ist in der Tat zunächst mal ein gelungener Deal aus 
Verkäufersicht.
Andererseits: Wenn sich denn wirklich die "einmalige Chance" 
bietet, durch eine Übernahme zur führenden Privat- und 
Firmenkundenbank in Deutschland mit mehr als 11 Millionen Kunden 
aufzusteigen, hätte es aus Käufersicht durchaus schlechtere 
Zeitpunkte und Bedingungen geben können. Geht demnächst die 
Bankenwelt unter? Trotz fast alltäglicher Schreckensnachrichten: wohl
nicht. Dann aber stiege die Allianz vermutlich nahe dem zyklischen 
Tief bei ihrer Banktochter aus und ließe sich deren Aufwärtspotenzial
entgehen - das bessere Geschäft hätte die Commerzbank gemacht.
Jenseits der finanziellen Details dieser Transaktion darf man auch
mal notieren: Respekt, Commerzbank! Das Institut, das früher gerne 
damit kokettierte, unter den deutschen Großbanken die kleinste zu 
sein, hat innerhalb kurzer Zeit die Hackordnung im hiesigen 
Kreditgewerbe auf eine Weise umgekrempelt, wie man es sich noch vor 
wenigen Jahren nicht vorzustellen vermochte. Dazu gehören freilich 
immer mindestens zwei: ein Aufsteiger und ein Absteiger. Den 
undankbaren Part in diesem Spiel hat die Dresdner Bank übernommen. 
Auch hier gilt: Noch vor vielleicht zehn Jahren wäre das Szenario 
eines solchen Niedergangs mit tragischem Ende - Verlust von 
eigenständiger Existenz und Identität 137 Jahre nach 
Unternehmensgründung - als Hirngespinst verworfen worden.
Glorifizierte Konsolidierung
Nun kann allerdings Größe ebenso wenig Selbstzweck sein wie die 
vielzitierte Bankenkonsolidierung, die in Deutschland 
merkwürdigerweise in der Politik ebenso wie in Teilen von Wirtschaft,
Wissenschaft oder Medien oft geradezu glorifiziert wird, übrigens 
trotz des hohen Preises, der dafür in Form von Arbeitsplatzverlusten 
zu zahlen ist. Was heißt denn "Konsolidierung"? Ein Wettbewerber wird
aus dem Markt genommen, damit die anderen leichteres Spiel haben. 
Angesichts der hierzulande vorherrschenden Konkurrenzsituation wird 
das im aktuellen Fall nicht notwendigerweise zulasten der Kunden 
gehen. Aber die Begeisterung über eine Entwicklung, in der nicht 
selten sogar intakte Geschäftsmodelle dem Streben nach Größe geopfert
werden sollen, ist schwer verständlich. Für die Beteiligten selbst 
kann Konsolidierung ohnehin nur sinnvoll sein, wenn sie mehr bringt, 
als sie kostet. Auch wenn diese Rechnung im Fall Commerzbank/Dresdner
auf dem Papier aufgehen mag: Eine Übernahme, bei der auf der 
Ertragsseite nur Dissynergien durch die Verkleinerung des Geschäfts 
stehen, wirkt doch eher seltsam defensiv.
Nicht ohne Widersprüche
Auch sonst ist die Schaffung der "neuen Commerzbank" nicht frei 
von Widersprüchen. Erstens: Kaum wächst man durch die Übernahme in 
eine neue Dimension, schon soll die Bilanz bis 2011 um mehr als ein 
Viertel verschlankt werden. Zweitens: Hinsichtlich internationaler 
Präsenz und der Aktivitäten im Investment Banking kann man, anders 
als im Privatkundengeschäft, auch nach der Verschmelzung nicht mit 
der Deutschen Bank mithalten, trotzdem wird gerade Dresdner Kleinwort
geschrumpft. Drittens: Die Allianz muss mehr oder weniger offen 
eingestehen, dass sie als Bankeigentümer die falsche Adresse ist, 
dennoch behält sie die Oldenburgische Landesbank in ihrer Gruppe. 
Viertens: Die Allianz wird mit knapp 30% größter Aktionär der neuen 
Commerzbank (was durchaus die Fantasie anregen könnte, begann doch 
die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz auch mal mit einer 
Schachtel). Doch dann erklärt Allianz-Chef Diekmann en passant, er 
gehe davon aus, die neue Bank als Großaktionär (nur?) "einen gewissen
Weg lang" zu begleiten.
Fünftens und nicht zuletzt: Die Commerzbank entschließt sich, um 
besagte "einmalige Chance" wahrzunehmen, zu einer schrittweisen, fast
10 Mrd. Euro teuren Übernahme, die sie sich mangels Finanzkraft auf 
einen Rutsch nicht leisten kann. Und wenn sich die Aktionäre - 
darunter dann allerdings schon mit 18,4% die Allianz - auf der 
außerordentlichen Hauptversammlung Anfang 2009 doch der "ökonomischen
Logik" verweigern, dem zweiten Schritt zuzustimmen - dann will 
Blessing die Anteile einfach über die Zeit von der Allianz erwerben. 
Gegen den erklärten Willen der freien Aktionäre?
Der Deal ist nicht unbedingt zu teuer, aber er ist extrem komplex 
und mit hohem Risiko verbunden - er kann für alle Beteiligten zum 
Ritt über den Bodensee werden. Mit der Unterzeichnung des 
Kaufvertrags und der Zustimmung der Aufsichtsräte hat für Diekmann 
und Blessing der schwerste Teil der Strecke erst begonnen.

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