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Börsen-Zeitung: Trügerische Erholung, Kommentar zu den Finanzmärkten von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Fast 800 Punkte hat der Dax zugelegt - in nur
einer Handelswoche. Am Montagmorgen stand er noch bei rund 4200 
Zählern, am Freitag schloss der deutsche Leitindex dann bei fast 5000
Punkten. Dies ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich die 
Kurse bis vor kurzem im freien Fall befanden.
Dementsprechend sind auch bereits wieder die ersten Stimmen zu 
vernehmen, gemäß denen die Märkte das Schlimmste überstanden haben. 
Die Kursgewinne, zusammen mit der Erholung des Ölpreises und des 
Euro, könnten - so die Argumentation - die ersten Anzeichen einer 
nachhaltigen Bodenbildung sein.
Es gibt in der Tat eine Reihe von Faktoren, die die Aktienmärkte 
angetrieben haben und wohl auch noch eine kurze Weile antreiben 
werden. So sind viele schlechte Nachrichten inzwischen in den Kursen 
eingepreist. Dass die USA, möglicherweise sogar die gesamte Welt und 
mit Sicherheit Deutschland in die Rezession abrutschen werden, hat 
sich herumgesprochen.
Positive Impulse gehen ferner von den Rettungspaketen aus, die 
Regierungen geschnürt haben. Inzwischen häufen sich die Anzeichen, 
dass auch die Privatbanken die staatlichen Hilfen akzeptieren, was 
die Gefahr einer Kreditklemme für den Unternehmenssektor mindert. Und
die Bundesregierung will mittlerweile nicht nur das Finanzsystem 
stützen. Nun soll auch die Konjunktur mit einem Maßnahmenpaket 
angeschoben werden.
Äußerst hilfreich ist aus Sicht der Marktteilnehmer auch die 
Unterstützung, die die Notenbanken gewähren. Die Federal Reserve hat 
am Mittwoch den Leitzins um 50 Basispunkte gesenkt, was insbesondere 
an der Wall Street sehr positiv aufgenommen worden ist. In der neuen 
Börsenwoche wird die Europäische Zentralbank (EZB) den Märkten zu 
Hilfe eilen. Mit Blick auf die düstere konjunkturelle Lage hat 
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet eine Zinssenkung so eindeutig in 
Aussicht gestellt, wie er es bislang noch nie getan hat.
Allerdings stellt sich die Frage, wie lange die Erholung wohl noch
anhalten wird. So ist beispielsweise nicht davon auszugehen, dass die
Zinssenkungen den Märkten über die Zeitspanne von ein paar Tagen 
hinaus Schub verleihen werden. Die größte Gefahr aber geht davon aus,
dass es neue Hiobsbotschaften gibt - sei es hinsichtlich der 
Konjunktur oder aus dem Finanzsektor.
Was die Konjunktur betrifft, so könnte es am kommenden Freitag 
gefährlich werden, wenn der stark beachtete Monatsbericht vom 
US-Arbeitsmarkt veröffentlicht wird. In der gerade beendeten 
Börsenwoche gab es bereits neue US-Makrodaten, die sehr bedenklich 
ausfielen. So sind die Konsumausgaben, die fast zwei Drittel des 
Bruttoinlandsprodukts ausmachen, im dritten Quartal 
inflationsbereinigt mit einer Jahresrate von 3,1% zurückgegangen. Bei
den langlebigen Gebrauchsgütern - vom Auto bis zum Fernsehapparat - 
beträgt das Minus sogar 14%.
Der frisch gekürte Nobelpreisträger für Ökonomie, Paul Krugman, 
spricht in diesem Zusammenhang von einer Kapitulation der 
amerikanischen Verbraucher. Er weist darauf hin, dass die Amerikaner 
bislang in der jüngeren Vergangenheit praktisch noch nie ihre 
Konsumlust gedämpft haben. So seien die Konsumausgaben sogar während 
der Rezession von 2001 weiter gestiegen. Nun jedoch schnallen die 
Amerikaner ihre Gürtel enger, was seiner Überzeugung nach zur Unzeit 
kommt. Da der US-Leitzins bereits sehr niedrig ist, könne die Fed 
kaum noch gegensteuern, so Krugman.
Hinzu kommt das Problem, dass die Banken trotz der sehr 
großzügigen staatlichen Hilfen immer noch nicht bereit sind, sich 
selbst und den Unternehmen Geld zu leihen. Dafür gibt es einen 
einfachen Grund, glaubt Bruce Wasserstein, einer der profiliertesten 
Investmentbanker und Dealmaker an Wall Street: Sie rechnen damit, 
dass noch weitere haushohe Verluste auf sie zukommen. Er geht davon 
aus, dass es bei Kreditkartenforderungen, bei gewerblich genutzten 
Immobilien und weiteren Assetklassen zu desaströsen Ausfällen kommen 
wird, wenn die konjunkturelle Schwäche anhält.
Wenn die beiden Koryphäen recht behalten, droht sowohl vom 
Finanzsektor als auch von der Konjunktur her weiteres Ungemach. Die 
Erwartung, dass es von nun an an den Märkten aufwärts geht, dürfte 
sich als trügerisch erweisen.

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