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Börsen-Zeitung: Eins nach dem anderen, Kommentar von Jürgen Schaaf zur erwarteten Leitzinssenkung der EZB

Frankfurt (ots)

Wenige Tage bevor die Europäische Zentralbank
(EZB) ihren Leitzins auf das niedrigste Niveau in der gut 
zehnjährigen Geschichte der Gemeinschaftswährung senken wird, 
verdichten sich die Anzeichen, dass die Währungshüter den Kauf von 
Wertpapieren erwägen, um so die Geldmenge auszuweiten. Zwar kann es 
durchaus sein, dass angesichts der Weltwirtschaftskrise auch die EZB 
zu unorthodoxen Mitteln der Geldpolitik greifen wird - wie es in den 
USA und Japan bereits gängige Praxis ist. Aber sie sollte dabei nicht
den zweiten Schritt vor dem ersten tun.
Dass die EZB morgen den Leitzins für den Euroraum um weitere 50 
Basispunkte auf dann 1,5% senken wird, gilt als ausgemacht. Der 
Ausblick auf Inflation und Wachstum ist inzwischen so dramatisch 
schlecht, dass es ein Gebot stabilitätsorientierter Geldpolitik ist, 
gegenzusteuern. Wie dies zu geschehen hat, darüber gibt es im 
geldpolitischen Entscheidungsgremium der EZB aber offenbar 
unterschiedliche Meinungen. Den einen kann es nicht schnell genug 
gehen mit den Zinssenkungen in Richtung Nullzins, um danach 
"quantitative Lockerung" zu betreiben. Die anderen haben Angst, dass 
allzu niedrige Zinsen oder gar ein Zins von null den Ruf der EZB 
gefährden und bereits die nächste Finanzmarktblase aufblähen.
Nicht auszuschließen, dass sich der 22-köpfige EZB-Rat daher auf 
einen politischen Kompromiss einigt: die Zinsen nicht unter 1% zu 
senken, aber dann bereits quantitative Lockerung zu betreiben. Das 
wäre allerdings ein Fehler. Denn effektiv gibt es kaum einen 
Unterschied zwischen orthodoxer Zinspolitik und der quantitativer 
Lockerung. Im einen Fall wird der Zins festgelegt, und die Geldmenge 
passt sich an, im anderen Fall nimmt die Notenbank direkten Einfluss 
auf die angebotene Menge - und der Zins passt sich an.
Beim Nullzinsniveau kauft die Notenbank Anleihen und betreibt 
direkte Staatsfinanzierung (Staatsanleihen) oder direkte 
Subventionierung bestimmter Unternehmen (Corporate Bonds, Commercial 
Papers). Von beidem sollte eine Notenbank wenn möglich die Finger 
lassen. Wenn die Währungshüter zu dem Schluss kommen, dass sie die 
Wirtschaft stärker stützen müssen, sollten sie das Zinspotenzial 
vollständig ausnutzen, bevor sie sich als zentraler 
Wirtschaftspolitiker des gemeinsamen Währungsraums aufspielen.
(Börsen-Zeitung, 4.3.2009)

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