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Börsen-Zeitung: Übertriebene Erholung, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Eigentlich war es eine erfreuliche Börsenwoche.
Trotz der Gewinnmitnahmen am Freitag haben die meisten Aktienmärkte 
ihre Erholung im Wochenvergleich fortgesetzt. Der Dax hatte in den 
vier Tagen per Donnerstag 4,7% zugelegt. Am Freitagabend blieb davon 
immerhin noch ein Wochenplus von mehr als 3% übrig.
Die Anleger müssten demnach mit Genugtuung auf die gerade beendete
Handelswoche schauen und sich entspannt zurücklehnen. Das Schlimmste 
scheint vorüber, es kann ja eigentlich nur besser werden, sollte man 
meinen.
Auffällig ist aber, dass die meisten Marktteilnehmer die Sache 
anders sehen: Mit einem Minus von zeitweise über 2% fielen die 
Gewinnmitnahmen am Freitag stattlich aus. Viele Akteure hatten wohl 
Skrupel, mit allzu großen Positionen in das Wochenende zu gehen. Die 
Anleger trauen dem Braten einer erstaunlich dynamischen Erholung, die
in einem ausgesprochen desolaten konjunkturellen Umfeld stattfindet, 
offensichtlich nicht.
Wie es scheint, sind die Bedenken angemessen. Der Dax hat sich 
seit dem Tief vom 9. März in nur drei Wochen um 14% befestigt. Auch 
die anderen Aktienmärkte sind stark gestiegen, so hat der wichtigste 
US-Benchmarkindex S&P500 den stärksten monatlichen Anstieg seit 1974 
hingelegt. Es ist zu bezweifeln, ob dies fundamental zu rechtfertigen
ist. Dies wird auch von vielen Analysten so gesehen. Die 
Aktienstrategen der WestLB beispielsweise qualifizieren die 
Erholungsrally als "zu früh, zu schnell, zu hoch".
Angetrieben wurde die Erholung vor allem durch die wiederholten 
Vorstellungen von Rettungspaketen und neuen Plänen, die Märkte und 
die Volkswirtschaften mit noch mehr Liquidität zu fluten, was bei 
Dividendentiteln zweifellos einen positiven Ankündigungseffekt 
ausgelöst hat. Derartige Maßnahmen sind zwar grundsätzlich 
angemessen. Die Pläne werfen jedoch eine Menge Fragen auf. So weisen 
die Analysten der WestLB zurecht darauf hin, dass in den USA vieles 
nach der Devise "viel hilft viel" praktiziert werde, ohne dass man 
wisse, wie denn die verabreichte Dosis auf die Patienten 
US-Volkswirtschaft und US-Bankensektor wirkt.
Zudem sind zahlreiche Details noch völlig ungeklärt. So sieht etwa
das neue Paket des US-Finanzministeriums vor, dass gemeinsam mit 
privaten Investoren den Banken Problemkredite im Volumen von bis zu 1
Bill. Dollar abgenommen werden sollen. Dabei ist es allerdings noch 
völlig ungewiss, wie die Preisfindung erfolgen soll und ob die 
Anreize groß genug sind, dass die Banken auf den Deal eingehen. Viele
Institute könnten, wenn die gebotenen Preise aus ihrer Sicht nicht 
attraktiv sind, dazu neigen, lieber auszuharren und die toxischen 
Assets in der Hoffnung auf bessere Zeiten in der Bilanz zu behalten. 
Damit könnte sich die Bankenkrise noch sehr lange hinziehen.
Auch in Deutschland ist das Problem der faulen Aktiva bei den 
Banken noch lange nicht gelöst, die Institute werden im Wesentlichen 
bislang nur durch Kapitalspritzen über Wasser gehalten. Vor diesem 
Hintergrund erscheint es als äußerst bedenklich, dass die Hausse 
bislang vor allem von den Bankentiteln getragen worden ist. Der 
entsprechende Stoxx-Subindex hat sich gegenüber dem Tief von vor drei
Wochen um sage und schreibe 40% erholt. Selbst wenn man den 
vorhergehenden Kursrutsch des (ohne die Staatshilfen längst 
bankrotten) Finanzsektors für übertrieben hält, lässt sich eine 
derartige Verteuerung der Titel fundamental kaum begründen. 
Demgegenüber hat die Rally diejenigen zyklischen Branchen, die 
klassischerweise von einem Aufschwung profitieren, bislang nicht 
erfasst - zu nennen sind in diesem Zusammenhang Sektoren wie 
Industrie, Chemie oder Automobilbau.
Aus fundamentaler Sicht ist also damit zu rechnen, dass der Markt 
nach dem steilen Anstieg der vergangenen drei Wochen nun in eine 
Seitwärtsphase übergeht. Sollte er jedoch die Hausse zunächst noch 
fortsetzen, steigt das Rückschlagpotenzial stark an. Für eine 
nachhaltige Erholung über das bereits erreichte Kursniveau hinaus 
bedarf es überzeugender Daten von Seiten der konjunkturellen 
Frühindikatoren, die es bislang noch nicht gibt.
(Börsen-Zeitung, 28.3.2009)

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