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Börsen-Zeitung: Risikoappetit kehrt zurück, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Ein weiteres Mal zeigen die Finanzmärkte dieser
Tage, wie sehr sie von schnell wechselnden Launen der Investoren hin 
und her getrieben werden. Beginnend mit den Zahlen von Goldman Sachs 
haben die Quartalsberichte großer US-Finanzhäuser den Hoffnungen 
neuen Schub verliehen, dass die Krise in nicht allzu ferner Zukunft 
überwunden werden könnte. Hinzu kommen per saldo recht gute 
Konjunkturdaten, vor allem das im zweiten Quartal wieder 
beschleunigte Wachstum Chinas.
Hatten im frühen Handel zum Auftakt der abgeschlossenen Woche noch
Zweifel an einer baldigen Erholung die Märkte belastet, folgte eine 
bemerkenswerte Kehrtwende. Kein Zweifel: Der Risikoappetit der 
Investoren ist wieder zurückgekehrt. Belegt wird dies u.a. durch 
deutlich rückläufige Risikoprämien, die am Credit-Markt gezahlt 
werden müssen. So hat sich der iTraxx Europe, ein Index, der 
Versicherungsprämien gegen Kreditausfälle von europäischen Emittenten
guter Bonität darstellt, in nur fünf Handelstagen um 14 auf 109 
Basispunkte eingeengt.
Eine noch deutlichere Sprache spricht der VDax, der, vereinfacht 
ausgedrückt, eine Art Messinstrument für das Ausmaß der Angst unter 
den Anlegern ist. Er liegt nur noch bei rund 26%, nachdem er nur 
wenige Tage zuvor noch ein Zwischenhoch von 34% erreicht hatte. Vor 
allem aber befindet sich der Index damit auf einem Niveau, das 
zuletzt am 12. September, unmittelbar vor dem Lehman-Kollaps, Bestand
hatte. Beeindruckend auch die Entwicklung gerade am inländischen 
Aktienmarkt. Gegenüber dem Tief vom Montag von 4520 hat der Dax in 
nur fünf Handelstagen bis zu 500 Zähler und damit mehr als 10% 
gewonnen.
Auch jenseits der ganz kurzfristigen Marktbewegungen gibt es 
zunehmende Anzeichen dafür, dass sich die Psyche der Investoren 
stabilisiert hat. So hat sich die Haltung der Investoren zu den ost- 
und mitteleuropäischen Reformstaaten deutlich zum Positiven gewendet.
Im ersten Quartal wurde noch der völlige wirtschaftliche und 
finanzielle Zusammenbruch der Region befürchtet, die unter den 
Emerging-Markets-Segmenten bis vor kurzem noch mit weitem Abstand das
Schlusslicht in der Gunst der Investoren war. Jetzt konnte 
ausgerechnet die Republik Ungarn, deren Staatsbankrott mit 
internationaler Hilfe abgewendet werden musste, die erfolgreiche 
Rückkehr an den internationalen Kapitalmarkt feiern. Eine fünfjährige
Benchmark-Anleihe über 1 Mrd. Euro war mit Orders von rund 1,75 Mrd. 
Euro überzeichnet. Zwar musste die Republik einen hohen Spread 
entrichten. Sie konnte jedoch die Emission am unteren Rand der 
Marketing-Vorgabe von 395 bis 405 Basispunkten unterbringen. Ungarn 
hat nun gute Aussichten, bald ohne internationale Unterstützung 
auszukommen.
So ermutigend die jüngsten Signale aus der Finanzwirtschaft und 
seitens der Konjunktur auch sind: Anleger sollten weiter Vorsicht 
walten lassen. Der nächste Appetitzügler kommt bestimmt. Die Krise 
wird über einen längeren Zeitraum für negative Nachrichten sorgen. 
Häufige und heftige Stimmungs- und Kursschwankungen werden das 
Geschehen an den Finanzmärkten auch in den kommenden Monaten prägen. 
Auf die aktuelle Rally an den Aktienmärkten wird unweigerlich der 
nächste Rückschlag folgen. Die Entscheidung darüber, ob die Krise 
tatsächlich in absehbarer Zeit überwunden wird, ist noch lange nicht 
gefallen. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Erholung der 
Weltwirtschaft enttäuschen wird. Damit ist auch die weit verbreitete 
Meinung, dass die Aktienmärkte ihren Boden bereits gesehen haben, mit
Fragezeichen zu versehen.
Die Investoren müssen aufpassen, keinen Illusionen aufzusitzen. 
Vieles, was jetzt nach Aufschwung riecht, ist Ausdruck einer 
Korrektur der panikartigen Lagerräumung, die dem Lehman-Kollaps 
folgte. Dies und die allmählich wirksam werdenden Maßnahmen zur 
Ankurbelung der Konjunktur werden möglicherweise eine vorübergehende 
Scheinblüte hervorbringen, der über kurz oder lang ein böses Erwachen
folgen wird.
(Börsen-Zeitung, 18.7.2009)

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