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Börsen-Zeitung: Eine Kulturrevolution, Kommentar zum Einstieg der Deutschen Bank bei Sal. Oppenheim von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots)

Der Kunde mit 1250 Euro monatlichem Geldeingang
auf dem kostenlosen Girokonto und der trotz Weltfinanzkrise noch 
nicht völlig verarmte Geldadel mit zehnstelligem Vermögen: Unter dem 
kolossalen Dach der Deutschen Bank finden sie alle einen Platz, vom 
Banken-Aldi Postbank mit seinen 14 Millionen Kunden bis hin zur edlen
Geldboutique Sal. Oppenheim, die eine Hautevolee von gerade einmal 
7000 Krösussen betreut.
Ob das passt? Aus Sicht der Deutschen Bank: gewiss - auch wenn 
manch früherer Ausflug ins Metier der Privatbankiers (wie im Fall 
Grunelius in den 1990-er Jahren) kein gutes Ende nahm. Der 
Branchenprimus, dessen Einstieg ins Mengengeschäft 50 Jahre 
zurückliegt, hat seinen Platz - von kurzen Irritationen abgesehen - 
stets "in der Mitte der Gesellschaft" gesucht und definiert dabei 
"Mitte" so breit, dass auch die Ränder abgedeckt werden. Das war auf 
der einen Seite der legendäre "Mob", der 1959 die Schalter stürmte, 
um den neuen Kleinkredit zu ergattern. An diesem Ende des Marktes 
agiert die Deutsche heute unter anderem mit ihrem Billigheimer 
Norisbank.
Noch willkommener ist natürlich die margenträchtige Randgruppe der
Superreichen am anderen Ende, an dem sich das Haus Ackermann immer 
etwas schwertat. Hier ermöglicht Oppenheim geradezu einen 
Quantensprung. Europas führendes Privatbankhaus betreute Ende 2008 
Kundenvermögen von 132 Mrd. Euro - das ist keine gänzlich andere 
Dimension als die 164 Mrd. Euro der Deutschen Bank im Private Wealth 
Management.
Was das Investment Banking als zweites Kerngeschäftsfeld von 
Oppenheim angeht, ist der Global Player Deutsche Bank gewiss nicht 
auf Zukäufe angewiesen. Doch macht hier die eine oder andere 
Arrondierung angesichts der anerkannten Expertise und teilweise 
vorderer Marktpositionen von Sal. Oppenheim auch nichts kaputt.
Zeitlose Werte?
Ob die strategische Partnerschaft auch für Oppenheim passt? Das 
Bankhaus hat ja in den bisher 220 Jahren seines Bestehens neben 
etlichen Kriegen und Währungsreformen auch vier Revolutionen er- und 
überlebt - hausinterne Umstürze wie die Verlegung des Hauptsitzes von
Köln nach Luxemburg nicht mitgezählt. Die jüngste Kulturrevolution 
aber wird man Kunden, Beschäftigten und dem Publikum erst noch 
verklickern müssen. Die Wahrung der Unabhängigkeit war jenseits allen
notwendigen Wandels seit jeher erklärtermaßen das alles überragende 
Ziel der seit Gründung im Familienbesitz befindlichen Bank. Die auf 
solchen "zeitlosen Werten" gründende Tradition beschreiben die 
Gesellschafter selbst gar als das Fundament der Bank. Auch wenn 
andere einst klassische Privatbankhäuser längst eine neue Heimat in 
Bank- oder Versicherungskonzernen gefunden und dort ihre 
Existenzberechtigung nachgewiesen haben: Wer dieses Fundament 
verlässt, indem er sich unter den Einfluss der Großbank schlechthin 
begibt, läuft Gefahr, sich gleichsam selbst den Boden unter den Füßen
wegzuziehen.
Der Hybris verfallen
Niemand käme freiwillig auf die Idee, seine jahrhundertelang 
verinnerlichte Unternehmensphilosophie derart radikal, bis hart an 
die Grenze zur Selbstverleugnung, umzuschreiben. Also muss die Not 
einigermaßen groß sein. Zwar ist die Bank, die noch im April eine 
durchaus respektable Eigenkapitalquote von 12% ("fast ausschließlich 
Kernkapital") auswies, weit davon entfernt, einer mit anderen 
Rettungsaktionen der jüngeren Finanzgeschichte vergleichbaren 
Auffanglösung zu bedürfen. Klar ist aber auch, dass die vom "Kölner 
Mittelständler" selbst fast zu einer Art Großbank mutierten 
Oppenheimer immer öfter auf dem falschen Gleis fuhren. Letztlich ist 
Sal. Oppenheim mit der bisherigen Ausrichtung am eigenen Erfolg 
gescheitert - einem Erfolg, der im dritten Säkulum der 
Firmengeschichte offenbar manchen zu Kopf gestiegen ist.
Die Bank hat einen großen, weithin geachteten Namen (den sie 
sicher behalten darf), und sie hatte ein grandioses Geschäftsmodell. 
Doch irgendwann müssen einige Akteure der Hybris verfallen sein. Da 
wurde aus mutigem Unternehmertum unternehmerischer Übermut: Das 
Riesenrad, das an den Finanzmärkten gedreht wurde, das Abenteuer mit 
den Industriebeteiligungen, mitunter vielleicht etwas halbseidene 
Fondskonstruktionen - all das gehört in diese Kategorie, all das ging
mit zunehmendem Rating- und Eigenkapitaldruck sowie mit spürbaren 
Reputationsverlusten einher, und all das wirft Fragen nach der 
persönlichen Verantwortlichkeit auf. Hinzu kam das monatelange 
Verwirrspiel um den Wiederverkauf der erst 2005 übernommenen, auf 
ihre lange Privatbanktradition "seit 1854" nicht minder stolzen 
BHF-Bank. Apropos: Deren Vorstand und Beschäftigte hatten sich einst 
mit Zähnen und Klauen erfolgreich gegen die Übernahme durch eine 
andere - die gelbe - Großbank gewehrt. Gegen die blaue dürfte 
Widerstand diesmal zwecklos sein.
Sollten Sal. Oppenheim, die Kunden und die Beschäftigten die 
Kulturrevolution ohne bleibende psychische Schäden verkraften, sind 
sie beim kapitalstarken Partner Deutsche Bank unter allen denkbaren 
Konstellationen sicher am besten aufgehoben. Bis dahin steht freilich
allen Beteiligten noch ein Langer Marsch bevor.

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