Börsen-Zeitung: Die Hausse nährt die Hausse, Marktkommentar von Thorsten Kramer
Frankfurt (ots)
Für Anleger, die während der leichten Konsolidierung in der zweiten September-Hälfte den Einstieg am Aktienmarkt gescheut haben und nach wie vor unterinvestiert sind, wird die Luft nun richtig dünn. Der Auftakt zur Berichtssaison in den USA hat jedenfalls diejenigen Analysten bestätigt, die den Markt auf überwiegend positive Geschäftszahlen für das dritte Quartal eingestimmt hatten. Bekräftigen die in den kommenden Tagen zur Veröffentlichung anstehenden Quartalsberichte den ersten Eindruck, dass die Kostensenkungsmaßnahmen nun Früchte tragen, werden Europas Aktienindizes wahrscheinlich sehr bald neue Jahreshochs markieren. Der deutsche Leitindex Dax dürfte dann sogar die Marke von 6000 Punkten attackieren, die ihm selbst die größten Optimisten erst zum Jahresende zugetraut hatten. Zuletzt notierte der Index auf diesem Niveau vor fast genau einem Jahr.
Mit Intel und IBM gewähren nun gleich zwei Schwergewichte aus dem US-Technologiesektor einen Blick in ihre Bücher. Hinzu kommen der Konsumgüter- und Pharmahersteller Johnson & Johnson, der Industriekonzern General Electric und die Banken JPMorgan, Citigroup, Bank of Amerika und Goldman Sachs. In Europa stehen zudem die viel beachteten Quartalsberichte von Nokia und Philips auf dem Programm. In exakt einer Woche dürfte sich somit sehr klar abzeichnen, ob der nun aufkommende Optimismus wirklich berechtigt ist und die Unternehmensbilanzen die stetig gestiegenen Konjunkturhoffnungen untermauern.
Anlagedruck steigt
Die Hausse nährt die Hausse, lautet eine Börsenweisheit. Sie wird in den kommenden Wochen wieder häufiger zu hören sein - wenn die Geschäftszahlen den nun weiter gestiegenen Erwartungen am Markt gerecht werden. Denn mit jedem Prozentpunkt, den der Dax und die anderen maßgeblichen Indizes steigen, nimmt der Performancedruck für institutionelle Anleger zu. Angesichts der nach wie vor immensen Mittel, die internationale Adressen zu niedrigen Zinsen am Geldmarkt geparkt haben, dürfte die Bereitschaft weiter steigen, zumindest einen Teil dieser Gelder in die risikoreichere Anlageklassen Aktien umzuschichten.
Unter Strategen ist es umstritten, ob die Saisonalität an sich eine Aussagekraft über den wahrscheinlichen Kursverlauf hat. In diesem Jahr allerdings dürfte der Oktober seinem guten Ruf gerecht werden. Seit 1965 betrachtet gewann der Dax in diesem Monat durchschnittlich 0,7%. Dabei stieg er 27 mal, 10 mal davon um mehr als 5%. Hinzu kommt, dass mit dem Oktober die starke Periode für Aktien beginnt, denn auch die nächsten sechs Monate - also einschließlich April - zeigen historisch betrachtet eine positive durchschnittliche Entwicklung. In 32 Jahren seit 1965 zeigte der Dax eine positive Performance, 19 Mal rückte er prozentual zweistellig vor. Das durchschnittliche Plus betrug 8,6%.
6200 Punkte im April
Bezogen auf die aktuelle Lage hieße das: Ende April notiert der Dax bei etwa 6200 Zählern. Er läge damit durchaus im Plan. Denn Institute wie die DZ Bank trauen dem Dax zur Jahresmitte 2010 durchaus einen Stand von 6500 Zählern zu. Erst dann, so argumentieren die Strategen dieser Adressen, werde sich der Markt mit Blick auf die zweite Jahreshälfte und die folgenden Jahre stärker auf die strukturellen Probleme fokussieren. Bis dahin dürften beispielsweise die Aktienkäufe sehr konservativer Anlegergruppen wie Pensionsfonds und Versicherer die Kurse weiter treiben. Diese Akteure haben mangels Risikopositionen in den Portfolios die seit März währende Kursrally vollkommen verpasst und dürften nach dem Jahreswechsel an einigen Engagements interessiert sein.
Für einen weiteren Kursanstieg spricht nicht zuletzt das negative Sentiment: Die Rally wird von Beginn an von hoher Skepsis begleitet. Zunächst trauten Anleger den ersten positiven Konjunktursignalen nicht, inzwischen heißt es, die Aktienindizes seien schon viel zu weit gestiegen. Das erinnert an die Entwicklung im Börsenjahr 2003, als viele Anleger nach dem Platzen der Technologiebörse und den Anschlägen vom 11. September hochgradig verunsichert waren und der Börse fern blieben, während die Kurse immer stärker vorrückten und den Mutigen enorme Renditen bescherten.
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