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Börsen-Zeitung: Suche nach Momentum, Kommentar von Bernd Weber zur Vorlage der Jahreszahlen von Daimler

Frankfurt (ots)

Daimler-Chef Dieter Zetsche wirkte bei der
Vorlage der Jahreszahlen 2009 ziemlich gelassen und relativ entspannt
- und das obwohl er einen Konzernverlust von 2,6 Mrd. Euro für das 
abgelaufene Geschäftsjahr verkünden musste. Dies muss etwas mit den 
Personalentscheidungen der vergangenen Wochen zu tun haben, so viel 
scheint sicher.
Es muss Zetsche wie eine Genugtuung vorkommen, dass sein Vertrag 
als Vorstandschef und Verantwortlicher für die Pkw-Sparte gerade um 
drei Jahre verlängert wurde. Noch im Herbst wurde kräftig an seinem 
Stuhl gesägt. Dies ging so weit, dass der Name Wendelin Wiedeking als
potenzieller Nachfolger bereits die Runde machte. Nun sitzt Zetsche 
also wieder fest im Sattel und hat ab sofort mit Wolfgang Bernhard im
Vorstand einen Mann an seiner Seite, mit dem er schon einmal bei 
Chrysler in derselben Konstellation gut harmonierte, er als Boss, 
Bernhard als Vize.
Auch mehrere seiner Aussagen verdeutlichen die positive 
Stimmungslage des Konzernlenkers. Nach der kontrollierten Defensive 
2009 spiele Daimler ab 2010 wieder auf Angriff. Die Weichen dafür 
seien gestellt. Die Führungsmannschaft stehe, lässt er die 
Journalisten wissen, die auf der Jahres-PK zugegen sind.
Einmal abgesehen davon, ob sich ein Umsatzrückgang um ein Fünftel 
und ein Verlust von 2,6 Mrd. Euro wirklich als "kontrollierte 
Defensive" bezeichnen lassen dürfen. Die Abteilung Attacke muss sich 
erst noch beweisen. Zumindest die Angriffsziele hat Zetsche schon 
einmal formuliert, und zwar so dezidiert wie selten zuvor zu einem so
frühen Zeitpunkt im Jahr.
Für jeden Geschäftsbereich verkündet wurde eine Vorhersage für das
Ergebnis vor Zinsen und Steuern, das sich 2010 auf Konzernebene zu 
einem Ebit von mehr als 2,3 Mrd. Euro summieren soll. Gegenüber dem 
negativen Ebit 2009 von 1,5 Mrd. Euro eine deutliche Ergebniswende.
Dazu, wie Daimler zum Ergebnisziel kommen soll, bleibt Zetsche 
aber vage. Halbwegs greifbare Aussagen zu Absatz und Umsatz lässt er 
sich nicht entlocken. Zetsche spricht vom Momentum, das im 
Jahresverlauf 2009 eindeutig zugenommen habe, und vom hohen 
Drehmoment, mit dem Daimler aus der Krise komme, was angesichts des 
positiven operativen Trends nicht von der Hand zu weisen ist. Im 
Konzern verbesserten sich die operativen Ergebnisse im abgelaufenen 
Jahr von Quartal zu Quartal, ab dem dritten Vierteljahr lagen sie 
wieder oberhalb der Nulllinie.
Ob das Drehmoment aber hoch genug ist, um die aufgestellten Ziele 
zu erreichen, lässt sich mit Blick auf die weiterhin existierenden 
Unsicherheiten und möglicherweise neu aufflammenden Risiken in der 
Industrie und in deren Umfeld nicht sagen. Sicher, Kostensenkungen 
und Effizienzsteigerungen brachten 5,3 Mrd. Euro, womit die 
ursprünglich anvisierte Marke von 4 Mrd. Euro klar übertroffen und 
die Kostenbasis deutlich verringert wurde. Und wird das bereinigte 
Ebit des vierten Quartals von 600 Mill. Euro für eine Hochrechnung 
herangezogen, liegt das Ziel 2010 von 2,3 Mrd. Euro jedenfalls 
eindeutig in Reichweite.
Auf Basis dieser Rechnung bräuchte es jedenfalls keine Fantasie, 
um die aufgesetzten Ziele zu erreichen. Auch hatten die Analysten 
bislang teils deutlich höhere Erwartungen an den operativen Gewinn 
des laufenden Jahres. 3 Mrd. Euro waren da keine Ausnahme. Dies 
könnte neben dem als Ausnahme deklarierten Dividendenausfall ein 
zweiter Grund sein, warum die Daimler-Aktie nach der Bekanntgabe der 
Zahlen abgestraft wurde.
Ist Zetsches Vorgabe nur konservativ, oder erkennt er trotz 
quantifizierter Jahresziele noch Risiken, die es zu meistern gilt, 
bevor aus der Prognose Realität wird? Zwar sollen in diesem und dem 
nächsten Jahr insgesamt 16 neue Modelle in den Verkaufsräumen stehen,
meist sind dies aber Derivate mit eher geringeren Stückzahlen. Im 
Kompaktwagensegment sind erste Nachfolgemodelle der A- und B-Klasse 
für Ende 2011 angekündigt. Die Butter auf dem Brot muss in diesem 
Jahr eindeutig die E-Klasse liefern. Sie verkauft sich gut, bekommt 
aber in wenigen Wochen mit dem neuen 5er-BMW ernsthafte Konkurrenz.
Auch eine Antwort auf die deutlich fallenden Verkäufe der 
Ein-Modell-Marke Smart steht aus. Die Auffächerung auf immer mehr 
Derivate zieht den auf Lifestyle bedachten jungen urbanen Käufer 
offenbar nicht mehr sonderlich stark an. Zwar scheint die Kooperation
mit Renault im Kleinwagensegment so gut wie beschlossene Sache, auch 
wenn Zetsche selbst da gebetsmühlenartig betont, das Ob, Wie und mit 
Wem sei nicht geklärt. Aber bis aus einer Partnerschaft ein neues 
Modell wie beispielsweise ein Viersitzer oder ein Mini-SUV wird, 
dessen Absatz dann auch Deckungsbeiträge liefert, wird es sicher 2011
werden.
Dass sich die Daimler-Spitze entgegen den allgemeinen Erwartungen 
entschieden hat, keine Dividende zu zahlen, ist zu begrüßen, auch 
wenn die Investoren enttäuscht reagierten. Cash bleibt ein hohes Gut 
in den aktuell unsicheren Zeiten für die Autoindustrie.
(Börsen-Zeitung, 19.2.2010)

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