Börsen-Zeitung: Angst vor der Zinswende, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Der deutsche Aktienmarkt hat die beendete Börsenwoche mit einem kleinen Aufschlag von 1,2% beim Dax leicht freundlich beendet. Getragen wurden die Kurse bisher von einer recht erfreulichen Quartalssaison und dem Nachlassen der Ängste hinsichtlich der Auswirkungen der griechischen Schuldenkrise, sodass nun die Marke von 6000 Punkten beim deutschen Leitindex in greifbare Nähe gerückt ist. Sie dürfte in der neuen Woche genommen werden.
Das Sentiment der Marktteilnehmer ist aber dennoch nur sehr beschränkt zuversichtlich. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Stimmung belasten und verhindern werden, dass die Rally wieder auflebt und zu einer Dynamik wie im vergangenen Jahr zurückfindet.
So begrenzt eine dürftige konjunkturelle Entwicklung der Eurozone das Potenzial für den Aktienmarkt. Für 2010 erwarten beispielsweise die Volkswirte der Unicredit in der Eurozone ein mageres Wirtschaftswachstum von gerade 0,9%. Zum Vergleich: Die USA sollen zumindest auf 2,5% kommen. Dass Deutschland zwar immerhin 1,5% erreichen könnte, ist angesichts der starken Exportorientierung der deutschen börsennotierten Unternehmen auch nur ein schwacher Trost.
Das Problem der Eurozone liegt dabei nach Einschätzung der Unicredit-Analysten in einer schwachen Konsumnachfrage. Mehr als eine Stabilisierung des Konsums ist auch im laufenden Jahr wohl nicht drin. Der Aufschwung dürfte damit praktisch ausschließlich von den Exporten getragen werden, sodass die konjunkturelle Entwicklung alles andere als nachhaltig ist. Ein Anziehen des Konsums ist nach Ansicht der meisten Ökonomen erst 2011 drin.
Langer Atem
Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass praktisch alle europäischen Staaten ihre Staatsverschuldung deutlich reduzieren müssen. Eine Politik der Schuldenreduzierung wird den finanziellen Spielraum der Regierungen stark einschränken. Ein gutes Beispiel ist Griechenland: Kräftige Ausgabenkürzungen und saftige Steuererhöhungen drohen die Konjunktur abzuwürgen. Zwar müssen andere EU-Staaten nicht im gleichen Ausmaß auf die fiskalpolitische Bremse treten. Spürbar dürfte der Effekt aber dennoch sein.
In diesem nicht sonderlich erfreulichen Marktumfeld kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Es herrscht nach wie vor Unsicherheit, welchen Kurs die Notenbanken unter Führung der Federal Reserve einschlagen werden. Eine Beibehaltung der aktuellen Politik des äußerst billigen Geldes und der fast unbegrenzten Liquiditätsausstattung der Märkte ist wegen der damit verbundenen Risiken auf Dauer nicht denkbar. So würde die immer noch überbordende Liquidität wie schon in den Vorjahren zu einer Kette von Mini-Bubbles führen, wobei die Gefahr besteht, dass diese wieder in eine große Überbewertungsblase und bei deren Platzen in eine neue Krise mündet. Hinzu kommt die Aussicht steigender Inflationsraten, die über kurz oder lang ein Gegensteuern der Zentralbanken erfordern.
Gift für die Märkte
Nach Überzeugung der Experten der WestLB ist aber bereits ein lediglich rhetorischer Schwenk in der Geldpolitik der Fed Gift für die Märkte. Bislang hat die US-Notenbank, deren Offenmarktausschuss sich am Dienstag zur geldpolitischen Sitzung trifft, seit rund einem Jahr in den Kommuniqués zu den Zinsentscheiden gebetsmühlenartig wiederholt, es sei für eine "ausgedehnte Zeitspanne" ("extended period") mit einem ungewöhnlich niedrigen Leitzinsniveau zu rechnen. Gegen diese Formulierung hatte mit dem geldpolitischen Falken Thomas Hoenig, dem Präsidenten der Fed-Filiale von Kansas City, bislang nur ein einzelner prominenter US-Notenbanker aufbegehrt. Inzwischen, so die WestLB, regt sich bei weiteren Mitgliedern des Offenmarktausschusses Unwille, sodass damit zu rechnen ist, dass die Fed am Dienstag oder spätestens in der Sitzung vom 27./28. April zu einer unbestimmteren Formulierung übergehen dürfte, die ihr Spielraum für einen Kurswechsel möglicherweise bereits im Herbst lässt.
Die Zinssitzung der Fed dürfte damit für die Aktienmärkte das entscheidende Ereignis der neuen Woche werden. Sollte die US-Notenbank tatsächlich die Zinswende einläuten, wären Verluste programmiert.
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