Börsen-Zeitung: Finanzplatzlose Gesellen, Kommentar von Claus Döring zur Unterbindung der Veröffentlichung der Indexkapitalisierungen im Dax durch die Deutsche Börse
Frankfurt (ots)
Börsenbetreiber arbeiten, vor allem als börsennotierte Unternehmen, gewinnorientiert. Das ist gut so, alles andere würde dem Geist des organisierten Kapitalmarktes zuwiderlaufen. Das freilich ist kein Freibrief, die Gewinnmaximierung zulasten aller anderen Unternehmensziele und Ansprüche von Stakeholdern auf die Spitze zu treiben. Der auch in den Reihen des Vorstands der Deutschen Börse gereiften Selbsterkenntnis, dass die Börse kein Unternehmen wie jedes andere ist und Verantwortung für den Finanzplatz trägt, fehlen leider allzu häufig die Taten.
Von einer diese Verantwortung negierenden Maßnahme sind jetzt auch die Leser dieser Zeitung betroffen: Die Deutsche Börse unterbindet ab sofort die Veröffentlichung der Indexkapitalisierungen im Dax, mithin auch der Gewichtung einzelner Werte und deren Free Float. Die Relevanz dieser Informationen für Investoren wurde soeben wieder deutlich bei der angekündigten Umwandlung der Fresenius-Vorzugsaktien in Stammaktien (vgl. BZ vom 1. April).
Doch die Deutsche Börse betrachtet den Dax als ihr Eigentum und will folglich an allen aus dem Dax abgeleiteten Produkten wie Fonds oder Zertifikaten über Lizenzgebühren mitverdienen. Dem hat der Bundesgerichtshof zwar einen Riegel vorgeschoben, aber durch die Hintertür hebelt die Börse das Urteil dem Sinn nach wieder aus, indem sie nun die Daten zum Dax nur gegen Bezahlung herausgibt (Bericht Seite 18). Damit beweist die Börse zweierlei: Erstens, dass sie findige Juristen hat, und zweitens, dass sie völlig unsensibel in Belangen des Finanzplatzes und damit ihrer eigenen Lebensgrundlage agiert und ihre Rolle am Finanzstandort immer noch nicht verstanden hat.
Vielleicht ist es zu weit gegriffen, ein Börsenbarometer als öffentliches Gut zu betrachten. Doch sei daran erinnert, dass ohne den Beitrag der Medien und deren intensive Berichterstattung der Dax nicht eine solche Erfolgsgeschichte geworden wäre. Übrigens stammen weder Name noch Konstruktion von der Deutschen Börse. Der Name war eine Idee des damaligen DGZ-Bank-Vorstands Manfred Zaß, der Index selbst die Weiterentwicklung des einstigen Index der Börsen-Zeitung, des bis dahin wichtigsten deutschen Aktienindex. Finanzplatzlosen Gesellen freilich sind historische Zusammenhänge und gesellschaftliche Verantwortung gleichgültig.
(Börsen-Zeitung, 2.4.2010)
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