Börsen-Zeitung: Kapitulation, Börsenkommentar "Marktplatz von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Auf einmal ist alles ganz schnell gegangen: Nur einen Tag nachdem die europäische Statistikbehörde Eurostat neue und erschreckende Zahlen zum Haushaltsdefizit Griechenlands veröffentlicht und diese mit einem Vorbehalt hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Daten versehen hat, musste Griechenland kapitulieren und offiziell Hilfe bei der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beantragen. Die Tatsache, dass die Unterdeckung der Staatsausgaben durch die Einnahmen nicht 12,7% des Bruttoinlandsprodukts, sondern 13,6% beträgt, hat an den Märkten zu einer derart starken Verunsicherung geführt, dass die Renditen griechischer Staatsanleihen sprunghaft angestiegen und die Spreads der Credit Default Swaps (CDS), also die Kosten für eine Absicherung gegen einen Kreditausfall des Landes, stark herausgelaufen sind. Damit war klar, dass das Land nicht mehr in der Lage sein würde, sich aus eigener Kraft über den Markt zu refinanzieren.
Die Kapitulation Griechenlands hat an den Märkten zunächst einmal zu Reaktionen der Erleichterung und Beruhigung geführt. Der Euro kletterte zum Wochenende wieder über die Marke von 1,32 Dollar, die er am Donnerstag preisgegeben hatte. Dax und StoxxEurope50 legten zu und die Credit Spreads der von der Schuldenkrise besonders betroffenen EU-Peripherieländer reduzierten sich nach der Bekanntgabe des Hilfeersuchens zunächst einmal.
Mit dem Hilferuf ist die Griechenlandkrise aber noch längst nicht ausgestanden. Kurzfristig kommt es aus Sicht der Marktteilnehmer nun darauf an, wie rasch die Mittel tatsächlich abgerufen werden können. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou rechnet zwar mit der Auszahlung erster Gelder noch vor dem 19. Mai, wenn der hellenische Staat Schulden von 8,5 Mrd. Euro zurückzahlen muss. Noch aber sind die Verhandlungen zwischen Athen und dem IWF über die Ausgestaltung des bis 2012 laufenden Sparpakets Griechenlands längst nicht abgeschlossen. Ein fertiges Konzept als Voraussetzung für die Zahlungen gibt es also noch nicht. Zudem hat Berlin in der EU einen mehrstufigen Prozess durchgesetzt, in dem nun die Europäische Zentralbank, der IWF und die EU-Kommission und dann die Regierungen der EU-Mitglieder entscheiden müssen. Ferner müssen in vielen EU-Ländern die Parlamente per Gesetz zustimmen.
Die Krise ist aber auch deshalb noch lange nicht ausgestanden, weil die bis jetzt avisierte Summe von 30 Mrd. Euro, die Griechenland erhalten soll, nicht sehr weit reicht. Bekanntermaßen werden 2011 Anleihen über 28 Mrd. Euro fällig, 2012 Bonds über 31 Mrd. Euro und 2013, wenn die höchstwahrscheinlich dreijährigen Notkredite von EU und IWF mitgezählt werden, sogar 68 Mrd. Euro, wobei die Geldmarktpapiere in die Rechnung noch gar nicht einbezogen sind. Damit hat das Paket, das derzeit geschnürt wird, im Grunde wenig mehr als Überbrückungscharakter. Auf etwas längere Sicht, so vermuten viele Marktteilnehmer, wird Griechenland für die Emission neuer Bonds auf Garantien anderer EU-Staaten angewiesen sein. Dazu werden aber Deutschland und noch andere EU-Mitglieder zunächst nicht bereit sein, was unweigerlich zu neuer Verunsicherung an den Credit- und Devisenmärkten führen wird.
Es ist also praktisch noch fast alles offen, weshalb das Gefühl der Erleichterung zumindest am Credit-Markt bereits am Nachmittag wieder komplett verflogen war. Die CDS-Spreads auf hellenische Staatsanleihen kletterten auf ein Niveau noch über dem vom Vortag. Und die Rendite zehnjähriger griechischer Staatstitel ist mit aktuell 8,9% nach wie vor weit von einem Niveau entfernt, das das Land als Zinslast noch bewältigen könnte. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik muss in der zehnjährigen Laufzeit gerade einmal rund 3% bezahlen.
In den kommenden Wochen und Monaten ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Situation Griechenlands an den Märkten nennenswert verbessern wird, solange keine Lösung mit einem dauerhafteren Charakter gefunden ist. Die Kapitulation Griechenlands ist nur der erste Schritt auf dem langen Weg der Bewältigung der Schuldenkrise.
(Börsen-Zeitung, 24.4.2010)
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