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Börsen-Zeitung: Europäische Rosinen, Kommentar zu Euro-Rettungsaktionen von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots)

Die deutschen Krämerseelen verweigern den Partnern in Europa die Solidarität: Aufstockung des 750-Mrd.-Euro-Rettungsschirms? Nicht mit den Deutschen. Erweiterung des Mandats des Stabilisierungsfonds auf den Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer? Veto aus Berlin. Begebung gemeinsamer Anleihen? Scheitert am Widerstand der Bundesregierung. Die deutschen Egoisten wollen ihren Zinsvorteil einfach nicht teilen.

So etwa sieht das Zerrbild aus, an dem nicht nur in Luxemburg tatkräftig gearbeitet wird. Aber mit den Kosten der geradezu inflationär ins Kraut schießenden Vorschläge für neue Euro-Rettungsaktionen hat die deutsche "Verweigerungshaltung" rein gar nichts zu tun. Es geht vielmehr darum, die von allen unterschriebenen Spielregeln einzuhalten und nicht mal eben auch den noch intakten Rest des europäischen Einigungswerks über den Haufen zu werfen, sobald ein paar Akteure an den Finanzmärkten und mit ihnen einzelne Politiker nervös werden. Etwa gemäß dem in öffentlichen Diskussionen allen Ernstes verbreiteten Motto, die Nichtbeistandsklausel des EU-Vertrages sei mit der Griechenlandhilfe eh schon ausgehebelt worden, dann könne man nun auch gleich noch Euroland-Anleihen auflegen.

Die neunmalklugen Urheber all dieser Konzepte übersehen geflissentlich deren übereinstimmenden Grundfehler: Etliche Euro-Partner bekämen gerne von den Deutschen den Pelz gewaschen, wollen dabei aber auf keinen Fall nass werden. Mit anderen Worten: Jedwede Hilfe zulasten der Haushalte stärkerer Mitgliedsländer wird dankend angenommen. Aber dafür über die Geldpolitik hinaus nationale Hoheitsrechte aufgeben? Gott behüte!

Dass der Euro ohne flankierende politische Integration auf Dauer nicht bestehen kann, gehört zu den Binsenweisheiten schon der neunziger Jahre. Zu dem weitergehenden Souveränitätsverzicht, den eine politische Union verlangt, war und ist indes niemand bereit. Da hat Sigmar Gabriel völlig recht: Eine stärkere Integration der Wirtschafts- und Finanzpolitik sei die einzige Chance, den Euro zu stabilisieren. "Danach kann man dann entscheiden, über welche Instrumente (...) das gemacht wird." Gut gebrüllt, Löwe. Nur: Wie viel Zeit hätte der SPD-Chef gerne für die Vertragsänderung? Reichen zehn Jahre, oder dürfen es ein paar mehr sein?

Fest steht: Europa ist kein Kuchen, aus dem sich jeder seine Rosinen herauspicken kann, und am Ende verliert Deutschland.

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