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Börsen-Zeitung: Wendesignale, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Es gehört zum Wesen der Finanzmärkte, dass sich eine festgefügt wirkende Meinungslage in kürzester Zeit verändern kann. Eine solche Entwicklung bahnt sich derzeit wieder an, und das kann dazu führen, dass die Investmentstrategen ihre Drehbücher für das noch junge Jahr bald modifizieren müssen. Noch vor kurzem war der Markt überzeugt, dass die Wende beim Euro-Leitzins frühestens im Schlussquartal des laufenden Jahres, wenn nicht sogar erst im kommenden Turnus einsetzen wird. Zwei Ereignisse haben jedoch ein Umdenken in Gang gesetzt. Die Jahresteuerung des Euroraums ist auf 2,2% gestiegen und hat mit dem höchsten Stand seit Oktober 2008 die für die Europäische Zentralbank (EZB) kritische Schwelle von 2% überschritten, und ihr Präsident, Jean-Claude Trichet, hat auf der Pressekonferenz nach der jüngsten Ratssitzung seine Wortwahl bezüglich der Inflationsrisiken verschärft.

Die Reaktion der Volkswirte folgte prompt. So erklärte die Deutsche Postbank, eine Leitzinserhöhung noch vor dem vierten Quartal 2011 sei nun nicht mehr auszuschließen. Die ING schrieb, die Wahrscheinlichkeit, dass der Leitzins früher als bislang gedacht erhöht wird, sei mit der Ratstagung der Notenbank gestiegen. Barclays äußerte sich zwar unverändert überzeugt, dass es keinen Grund für eine Zinsanhebung der EZB in diesem Jahr gebe. Aufgrund der Kommentare Trichets und des sich verschlechternden kurzfristigen Inflationsausblicks müsse die Möglichkeit einer Erhöhung jedoch in Betracht gezogen werden. Die Citigroup revidierte ihre Leitzinsprognose und erwartet die erste Anhebung nicht mehr im ersten Quartal 2012, sondern im Verlauf des zweiten Halbjahres 2011, wahrscheinlich vor dem Ablauf der Amtszeit Trichets am 31. Oktober.

Das alles ist Gift vor allem für Staatsanleihen, deren Aussichten sich zusehends eintrüben. Bei 3,09% erreichte die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen nach den Bemerkungen Trichets denn auch den höchsten Stand seit April 2010. Allerdings sollten die Äußerungen auch nicht überinterpretiert werden. Vermutlich ist den Experten zuzustimmen, die darauf verweisen, dass eine sehr frühzeitige Leitzinserhöhung die Staatsschuldenkrise verschärfen würde. Eine Leitzinswende im ersten Halbjahr kann vor diesem Hintergrund wohl nach wie vor weitgehend ausgeschlossen werden. Trichet war wahrscheinlich daran gelegen, dem Verdacht entgegenzutreten, dass die Priorität der Preisstabilität durch die Staatsschuldenkrise abgeschwächt worden ist.

Für Unruhe an den Märkten wird das Thema in den kommenden Wochen dennoch sorgen. Die Zeiten, in denen der Termin für die Leitzinswende in den Prognosen der Volkswirte immer weiter hinausgeschoben wurde, sind vorbei. Die Wende rückt näher. Für Anleihen steigen damit die Risiken. Letztlich werden aber auch die Aktienmärkte in absehbarer Zeit Gegenwind verspüren, wenn die Leitzinswende naht. Bei steigenden Zinsen bzw. Renditen nimmt die relative Attraktivität von Dividendentiteln ab und schwindet die Hoffnung auf umfangreiche Umschichtungen der gering investierten Institutionellen.

In der neuen Woche könnte China für zusätzliche Verunsicherung an den Märkten sorgen. Das Reich der Mitte, das durch seine Billigprodukte in den zurückliegenden Jahren dazu beigetragen hat, dass der Inflationsdruck in den Industrieländern gering blieb, veröffentlicht am Donnerstag die Verbraucherpreise vom Dezember. Die November-Jahresteuerung hat mit einem Anstieg auf 5,1% die Marktteilnehmer geschockt. Derzeit rechnen sie für den Dezember mit einem Rückgang der Inflationsrate auf 4,6%. Am Freitag reagierte der Markt neben der erneuten Anhebung der Mindestreservesätze sehr nervös auf Gerüchte, dass die Rate im Dezember nicht gesunken, sondern sogar gestiegen sein soll.

Wenn sich das bewahrheitet, wäre das der nächste Schock für die Märkte. Die Anleihen würden unter Druck geraten, und an den Aktienmärkten würden die Befürchtungen, dass die Gegenmaßnahmen der chinesischen Behörden das Wachstum deutlich reduzieren könnten, zusätzlich geschürt.

(Börsen-Zeitung, 15.1.2011)

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